Accelerando
nicht ohne diese Hilfsmittel einpaukt. Mom, die Amber aus
heiterem Himmel mitteilt, dass sie erneut umziehen werden. Die Amber
gegen ihren Willen aus der Schule nimmt und von den Freundinnen und
Freunden trennt, zu denen sich erste zarte Bande entwickelt haben.
Mom, die jeden Monat eine neue Kirche ausprobiert. Mom, die Amber
beim Telefongespräch mit Daddy erwischt, das Telefon
zertrümmert und es Amber um die Ohren haut. Mom am
Küchentisch, die Amber zum Essen zwingt… »Meine Mutter
liebt die Macht.«
»Ah«, bemerkt Sareq mit gläserner Miene. »Das
also empfinden Sie für Ihre Mutter? Wie lange verfügen Sie
schon über diese ausgefeilten… Nein, entschuldigen Sie die
Frage. Es liegt auf der Hand, dass Sie sich mit Implantaten
auskennen. – Wissen Ihre Großeltern davon? Haben Sie mit
ihnen gesprochen?«
»Meine Großeltern?« Amber unterdrückt ein
Schnauben. »Moms Eltern sind tot. Dads Eltern leben noch, aber
sie wollen nicht mehr mit ihm reden. Sie mögen Mom, und ich bin
ihnen unheimlich. Weil ich gewisse kleine Dinge über sie
weiß. Beispielsweise kenne ich ihre Steuereinstufung und ihre
Kundenprofile. Solche persönlichen Daten konnte ich mit meinem
Kopf schon im Alter von vier Jahren ausgraben. Ich bin nicht so, wie
kleine Mädchen es zu ihrer Zeit waren, und das können sie
nicht verstehen. Ist Ihnen klar, dass die Alten uns Junge
überhaupt nicht mögen? Manche Kirchen machen nur damit ihr
Geld, dass sie für die Alten, die ihre Kinder für besessen
halten, Exorzismus betreiben, um dem Nachwuchs den Teufel
auszutreiben.«
»Also gut.« Gedankenverloren fingert Sadeq wieder an
seinem Bart herum. »Das ist eine ganze Menge, was ich da zu
verdauen habe, das muss ich schon sagen. Aber Sie wissen, dass Ihre
Mutter den islamischen Glauben angenommen hat, nicht wahr? Das
bedeutet, dass Sie ebenfalls Muslimin sind. Bis zu Ihrer
Volljährigkeit hat der zuständige Elternteil in
juristischer Hinsicht für Sie das Sagen. Und Ihre Mutter sagt,
dass Sie damit zu meinem Problem geworden sind. Hm.«
»Ich bin keine Muslimin.« Amber starrt auf den
Bildschirm. »Und ich bin auch kein Kind mehr.« Die Agenten
hinter ihren Augen tun sich zusammen und flüstern ihr
beängstigende Dinge ein. Der Kopf kommt ihr plötzlich so
voll gestopft vor, als werde er vor lauter Ideen gleich platzen
– schwer wie ein Stein und zweimal so alt wie die Zeit.
»Ich gehöre niemandem. Was sagt Ihre Rechtsprechung
über Menschen, die mit Implantaten geboren sind? Was sagt sie
über Menschen, die ewig leben möchten? Ich glaube an keinen Gott, Herr Richter. Ich glaube auch nicht an irgendwelche
Grenzen. Mom kann mich physisch nicht zwingen, irgendetwas zu tun
oder zu lassen. Und zweifellos kann sie nicht für mich sprechen.
Das Einzige, was sie tun kann, besteht darin, meinen gesetzlichen
Status in Frage zu stellen. Und was zählt der schon, wenn ich
beschließe, dort zu bleiben, wo sie nicht an mich herankommen
kann?!«
»Also gut, wenn das alles ist, was Sie dazu zu sagen haben,
muss ich über die Sache nachdenken.« Wie ein Arzt, der eine
Diagnose abwägt, sucht er mit nachdenklicher Miene ihren Blick.
»Zu gegebener Zeit werde ich erneut Kontakt mit Ihnen aufnehmen.
Falls Sie in der Zwischenzeit das Bedürfnis haben, mit jemandem
zu reden, denken Sie bitte daran, dass ich jederzeit für Sie da
bin. Wenn ich irgendetwas tun kann, um Ihren Kummer zu lindern,
würde ich mich freuen, Ihnen zu Diensten zu sein. Friede sei mit
Ihnen und denen, die Ihnen am Herzen liegen.«
»Das wünsche ich Ihnen auch«, murmelt sie
undeutlich, als die Verbindung abbricht. »Und was jetzt?«,
fragt sie, während ein Umriss piepsend über die Wand
wirbelt und um Aufmerksamkeit bittet.
»Ich glaube, die Landung wird angezeigt«, springt Pierre
ihr bei. »Ist das Ding schon unten?«
Sie dreht sich nach ihm um. »He, ich dachte, ich hätte
dir befohlen, dich zu verkrümeln!«
»Was? Um mir den ganzen Spaß entgehen zu lassen?«
Er grinst sie spitzbübisch an. »Amber hat einen neuen
Freund! Warte, bis ich es allen erzählt habe…«
Schlafzyklen kommen und gehen. Der
»ausgeborgte« 3-D-Drucker auf dem Zielobjekt Barney
spuckt winzige Kartierungen von Atomen in Form von
Quantenverschränkungen aus, die auf dem Schauplatz seiner
Reproduktionen feste Gestalt annehmen, das lenkende Schaltsystem
aufbauen – und die Grundstrukturen neuer Drucker. Hier gibt
es keine umständlich arbeitenden Nano-Assembler, keine
Roboter in der Größe
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