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Achilles Verse

Achilles Verse

Titel: Achilles Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Achilles
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schon morgens um 6 Uhr durch die Gegend wetze. Mona hört gern, wenn die Leute »Ist ja doll« sagen. Sie ahnt nicht, dass ich ihren Stolz eiskalt auszunutzen gedenke. Ich weiß nur noch nicht, wie.
    Das Weihnachtsgeschenk ist bei uns eine Waffe für feinste psychologische Kriegsführung. Mona zum Beispiel will mir nicht unbedingt eine Freude machen, sondern sie will mich überraschen. Es geht nicht um mein, es geht um ihr Wohlbefinden. Ich darf nichts ahnen. Ich muss ein total verblüfftes Gesicht machen. Und dann muss ich mich freuen. Sonst ist Weihnachten gelaufen. Ihren geheimnistuerischen Überraschungstick kann man aber durchkreuzen. Wenn ich etwas auf gar keinen Fall haben möchte, muss ich es mir ausdrücklich wünschen. »Neue Socken, das wäre ein tolles Geschenk, eine echte Überraschung«, so lautet die garantierte Anti-Socken-Formel. Mona wiederum besteht darauf, dass ich ihr genau das schenke, was sie bestellt. Dieses Jahr hat sie eine Kosmetikserie in Auftrag gegeben, die man nur im KaDeWe bekommt. Das Produkt stammt aus Frankreich, sein Preis aus Japan, und der Profit geht nach Amerika. Ich dagegen wünsche mir ein finnisches Produkt, allein wegen der schönen Frauen in Helsinki, die Polar S625x.
    Jeder, der um diese Jahreszeit läuft, der ist Profi, der hat die S625x, erkennbar an dem kleinen schwarzen Sensor am verschlammten Schuh. Nur ich trage diese kleine graue M5, ohne Sensor natürlich, den Trabi unter den Pulsuhren. Die S625x ist eine Sensation: Sie misst die Strecke und das Tempo, sie optimiert das Trainingsprogramm, man kann alle Daten mit dem Handy abrufen und das Ding auch noch für das Rennrad ausbauen. Kalorienzählen kann sie auch, aber zum Glück nur rückwärts. Selbst kaufen kann ich mir die Uhr auf gar keinen Fall. Sie kostet über 350 Euro und wäre für Mona die nächsten 20 Jahre das Totschlagargument bei jedem Paar Schuhe.

    Wie kriege ich nun Mona dazu, mir diese Wunderuhr zu schenken? Äußere ich den Wunsch, kriege ich sie nie. Beauftrage ich Karl, ihr unauffällig einen Tipp zu geben, wird er sich verplappern. Also vorsichtige Hinweise geben. Neulich habe ich nach dem Training angemerkt, dass meine M5 spinnt. »Vielleicht die Batterie«, hat Mona gesagt. War sie wirklich desinteressiert? Oder hat sie sich nur nicht anmerken lassen wollen, dass ich sie auf eine Geschenkidee gebracht hatte?
    Nächster Hinweis: Seit zwei Wochen lasse ich »Runners World« auf dem Klo liegen, die Seite mit der Polar-Anzeige aufgeschlagen. Keine Reaktion. Gestern habe ich die S625x mit dicken Kulistrichen noch mal eingerahmt. Zur Sicherheit. Mona muss etwas gemerkt haben. Andererseits: Bestimmte Anzeigen werden von Frauen einfach übersehen, nicht mal mit Absicht, sondern einfach so. Es ist ein genetischer Defekt: Frauen können Pulsuhr-Anzeigen einfach nicht sehen. Ein echtes Argument pro Gentechnik.
    Zum Glück gibt es bei Frauen einen zweiten genetischen Defekt, der noch stärker ist, der Clooney-Effekt. Die Firma Polar würde umgehend den Absatz ihrer Hightech-Chronometer verdoppeln, wenn sie über ihre Anzeigen schriebe: »Die wünscht sich George Clooney zu Weihnachten.« Wenn irgendwo »Clooney« steht, reagieren alle Frauen, sogar auf Pulsuhr-Anzeigen. Sie stehen auf diesen Halbaffen, auch wenn er so aussieht, als habe er Haare auf dem Rücken. Alle Frauen wollen George Clooney eine Freude machen. Mit einer S625x holen sie sich ein bisschen Clooney-Feeling nach Hause. Ich färbe mir auch die Schläfen grau und klebe mir ein paar Haarbüschel auf den Rücken, wenn es Mona dabei hilft, eine S625x zu kaufen.
    »Was wünschst du dir eigentlich zu Weihnachten?«, hat Mona neulich ganz unauffällig gefragt. »Eine neue Krawatte wäre toll«, habe ich gesagt, »oder ein schönes Buch. Fürs Laufen habe ich ja schon alles. Da kannst du mich nicht mehr überraschen.« Sie lächelt fein. Ich bin ja so ein Fuchs. Es hat geklappt. Ich weiß, dass es geklappt hat.

Schlag auf Schlag
    Der eigene Herzschlag ist der Drehzahlmesser des Menschen. Am Puls lässt sich mit etwas Übung relativ präzise ablesen, ob die Maschine im grünen Bereich pumpt. Wer ernsthaft laufen will, kommt um die Anschaffung einer Pulsuhr nicht herum. Einfache Modelle, die es schon unter 50 Euro gibt, reichen für den Anfang voll aus. Die Faustregel
    220 – Lebensalter = Maximalpuls
    gilt zwar als ungenau, ist aber immerhin eine Orientierung für gutes Training. Ein Anfänger von 40 Jahren trainiert am Anfang im Bereich von 75

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