Achilles Verse
habe ich meinen Rekord eingestellt. Zwei Stunden und fünf
Minuten. Es ist langweilig. Mein Knie tut weh. Warum habe ich meinen iPod nicht mitgenommen? Die Buddenbrooks hätte ich schon halb durchgehört. Dauernd überholen mich irgendwelche Blödmänner. Aber ich darf nicht schneller werden. Sonst breche ich ein.
Gut, dass ich einen 20-Euro-Schein in die Unterhose gesteckt habe. Zur Not nehme ich mir ein Taxi. Aber woher kriege ich zum Teufel ein Taxi im Grunewald? Die Hose scheuert. Ich hätte mir noch einen Klacks Vaseline mehr zwischen die oberen Oberschenkel schmieren sollen. Alles brennt, nur das Fett nicht. Wahrscheinlich läuft schon Blut das Bein hinab in die Schuhe. Im Magen ziept es. Der Körper kratzt die letzten Glykogenreste zusammen. Walker reden auch immer von Fettverbrennung. Je langsamer sie durchs Unterholz schleichen, desto besser fackelt der Hüftring, glauben sie. Warum nur sind Walker dann alle so pummelig?
Ich kann nicht mehr. Mein Puls ist fast bei 140. Zweieinhalb Stunden und das verdammte Fett will nicht brennen. Noch drei Kilometer. Ich kriege die Beine nicht mehr hoch. Die Knie wackeln. Disteln im Schritt. Stacheldraht im Bauch. Scherben in den Schenkeln. Warum schickt Mona keinen Krankenwagen? Ich schleiche. Eine ältere Dame mit ihren Einkaufstaschen geht 100 Meter vor mir. Ich komme ihr nicht näher.
Zwei Blocks noch. Schon drei Stunden und zehn Minuten. Laufen ist scheiße und lange laufen noch viel mehr. Da vorn steht Roland, mit einer Brötchentüte unterm Arm. Er winkt. Ich will den Arm heben. Aber er will nicht. »Mann, Achim, schon ’nen halben Marathon gelaufen heute Morgen, wa?«, brüllt Roland über die Straße. »Mehr«, wispere ich. Roland lacht gehässig. »Alter Angeber«, sagt er. Wenn ich könnte, würde ich ihm eine reinhauen.
Langläufer wider Willen
Lange Läufe sind die Pest. Sie dauern ewig, tun weh und ruinieren das Wochenende. Wer sonntags früh startet, kommt als Wrack nach Haus und braucht bis Dienstag, um zu regenerieren. Die Gattin grummelt. Warum machen Läufer so was? Aus Angst. Angst vor dem Einbruch, dem Aufgeben, Angst vor dem Mann mit dem Hammer oder wie immer man das Ungeheuer nennt, das bei Kilometer 30 auf den Marathonläufer wartet. Die Distanz von 42 Kilometern ist mit ein paar lockeren Trainingsläufchen eben nicht würdevoll zu absolvieren. Wer seinen Beinen die Heldenstrecke abverlangen will, sollte sie vorher ein paarmal mindestens zu drei Vierteln absolviert haben. Denn der Körper verfügt über eine Erinnerungsfunktion: Hat er während des Wettkampfs den Eindruck, diese Laufdistanz schon mal zurückgelegt zu haben, dann läuft er weiter. Ansonsten neigt er zum abrupten Streik. Die Opfer sind bei jedem Marathon zu besichtigen.
Kostenlose Trainingspläne gibt es bei www.achimachilles.de
Was für ein Schock: Läufer sind Ökosünder. Sie hecheln die Erde zum Kollaps und verpesten die Welt laut neuen Studien so sehr mit CO 2 , wie es kaum einer für möglich gehalten hätte. Achim Achilles weiß, was nun zu tun ist: global denken, lokal laufen!
Ich bin ein Klimaschwein. Denn ich hechle. Ich habe damit kein Problem, aber mein Laufpartner Klaus-Heinrich. Immer wenn wir sonntags gegen meinen Willen die unmenschlichen 80 Höhenmeter des Teufelsbergs in unsere Laufstrecke einbauen, sagt er, ich solle aufhören zu röcheln, das sei schlecht fürs Klima.
Der Läufer produziert nun mal Abwärme und Treibhausgas, erst recht am Hang. Und was soll ich tun, um die Welt zu retten? Aufhören zu atmen? Überhaupt nie wieder hecheln? Wie hätte ich den Schwangerschaftskurs dann überstanden?
Wenn ich nicht laufe, werde ich übrigens dick wie ein Walker. Und Übergewichtige sind fürs Klima ebenfalls Gift. Sie essen größere Portionen und brauchen mehr Energie für den Transport. Andererseits benötigen sie nicht so viel Wasser in der Badewanne.
Dicker Nicht-Läufer, dünner Renner oder halbdicker Durchschnitt – die Kohlendioxid-Produktion hält sie zusammen.
Läufer immerhin produzieren auf gesündere Art ihr Treibhausgas, ungefähr 25 Prozent mehr als Golfer oder verwandte stockgestützte
Sportdarsteller. Weil sich Puls und Herzschlag kaum erhöhen, bleibt auch der Atem flach. Stöckchensport hat eine Öko-Bilanz wie das Wachkoma. Kaum gehen Golfer oder Walker allerdings ihrer Lieblingsbeschäftigung nach, dem Transportiertwerden, wird das Klima belastet: 20 Kilometer An- und Abfahrt in der zwei Tonnen schweren Geländekarre und ein vertilgter
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