Achilles Verse
Griebenschmalz gemeißelt. Dellen, soweit das Auge reicht, nicht tief, aber zäh. Nicht wegzukriegen.
Das ist kein feinmuskelig definiertes Athletenbein, das ist das Grauen: O-R-A-N-G-E-N-H-A-U-T. Und in Wahrheit nicht mal die, sondern was noch viel Schlimmeres. Gäbe es eine Interessenvertretung für die Rechte von Apfelsinen, Orange-Peace, dann würden die sich sofort an meinem Bein anketten. Und sie hätten Recht: Mein Bein sieht nicht nach Apfelsinenschale aus, sondern nach sehr, sehr altem Gürteltier.
Meine Laufbekanntschaft Klaus Heinrich sagt, ich soll einen Luffa-Schwamm nehmen und immer schön in eine Richtung bürsten. Hat er beim Orthopäden in der »Brigitte« gelesen. Unmöglich. Diese Schwämme sind nach 24 Stunden im Bad doch Pilz-Plantagen. Nach einer Woche laufen alle Luffas weg, um eine klebrige Affäre mit den Sporen in der Biomülltonne anzufangen. Und was soll mein Sohn Karl denken, wenn ich nackig im Bad mit einem Schwamm an meinen Oberschenkel rumbürste. Wahrscheinlich hat bei Michael Jackson alles mit einem Luffa-Schwamm angefangen. Weil Liz Taylor ihm gesagt hat, damit kriege er die Farbe ab.
Schneller laufen, empfiehlt Klaus Heinrich, das mache die Muskeln härter und exorziere die Beulenpest. Aber noch schneller laufen? Unmöglich. Das tut weh. Kieselsäure, sagt Mona. Sie bunkert eine weiße Plastikflasche mit einem Zeug im Kühlschrank, das aussieht, als könne man schwanger davon werden. Schmeckt auch so, soll aber gut fürs Bindegewebe sein.
Das Bindegewebe sei eine völlig zu Unrecht unterschätzte Körperschicht, sagt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, dieser Bayern-Arzt mit dem kanzlerdunklen Mittelscheitel. Der betet vor jedem Spiel, dass sich ein Spieler verletzt, damit er vor den Augen der Weltfrauen unglaublich schnell auf den Platz rennen kann. Mona beugt sich 89 Minuten über ihre Handarbeiten, guckt aber genau in dem Moment auf, wenn MW zum Sprint ansetzt. »Wer ist denn das da mit dem Koffer?«, fragt sie jedes Mal. Und immer antworte ich: »Nur einer von den Scheiß-Bayern.«
Wenn MW nicht gerade mit Dr. Strunz zusammen unterm Solarium Jungbrunnenhormone einpfeift, dann trainiert er bestimmt Sprints mit Köfferchen, heimlich im Garten seiner Villa. Seine Frau muss ihn mit der Video-Kamera vom Dachfenster filmen. So hat er seinen Laufstil über die Jahre TV-gerecht perfektioniert, und den entschlossenen, besorgten, gleichwohl kompetenten Gesichtsausdruck. Der Frisör Meir hat seinen Mobilsalon auf der Terrasse aufgebaut, um den Mähnenflug zu optimieren. Das ist aber alles nur Ablenkung. Ist doch klar. Müller-Wohlfahrt hat immer lange Hosen an, wenn er auf den Platz läuft. Zufall? Niemals. Jede Wette: Der hat auch Orangenhaut.
Schenkel-Alarm
Die gute Nachricht: Nahezu jeder Normalbürger kann mit etwas Training seine Ausdauer verbessern. Die schlechte Nachricht: Man sieht es nicht jedem an. Die Gene sind schuld. Manch trainingsfauler Zeitgenosse hat Schenkel wie ein Zehnkämpfer, der fleißige Dauerläufer dagegen rennt immer noch auf konturlosen Würsten durch die Welt. Die Gene sind eben ungerecht verteilt. Noch gemeiner wird die Sache, wenn man sich die Muckis nicht nur von außen, sondern von innen betrachtet. Da gibt es weiße und rote Muskelfasern und die sind bei jedem Menschen anders verteilt. Wer von der Schöpfung mit vielen weißen Fasern beschenkt ist, wird mit moderatem Training den Marathon unter vier Stunden laufen. Wer die roten Sprinterfasern geerbt hat, bleibt auch trotz harter Vorbereitung über 240 Minuten. Immerhin gewinnt er den Endspurt um Platz 23642.
Die Füße sind des Läufers Kapital – und das kann akut gefährdet sein. Schuld ist aber ausnahmsweise mal nicht Mona, sondern ein gemeiner Pilz. Auch unser Wunderläufer Achim Achilles bleibt nicht verschont. Und landet prompt in der Ausgrenzungsfalle.
Neulich beim Lauftreff kam wieder mal Traudl angeschlichen. Traudl ist der laufende Beweis, dass auch regelmäßige Bewegung kein Garant für Anmut ist. Alle sagen, dass Traudl wirklich nett sei. Vergiftetes Kompliment. »Nett ist die kleine Schwester von widerlich«, sagt Patrick, der zwar kein großer Läufer ist, aber häufig Recht hat. Traudl läuft in gebückter Plattfüßigkeit, wie ein ukrainischer Rübenbauer. Wären ihre Schenkel etwas weniger üppig, könnte man bei ihr O-Beine vermuten. Aber nett.
In Wirklichkeit ist Traudl lästig. Sie gehört zu jener Sorte Menschen, die völlig hemmungslos von ihren privatesten Problemen
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