Achilles Verse
Mal war ich in der Schule mehr als 100 Meter geschwommen. Im Urlaub gehörte ich zu der Sorte der Schnell-aber-wenig-Krauler, die sich nach dem fünften Zug elegant auf den Rücken drehten und eine Fontäne in die Luft spien.
In Rolands Gummi war schon nach dem dritten Zug Ende. Ich konnte die Arme nicht bewegen. Das Ding war eine Zwangsjacke. Mit den Beinen paddelte ich die viereinhalb Meter zurück ans Ufer. Es war nicht viel, aber eine erste Bewegung in Richtung Hawaii. Es pochte wieder, das alte Kämpferherz.
Vom Marathon zum Triathlon
Wer sich länger als 40 Kilometer in gut vier Stunden fortbewegen kann, der schafft auch einen kleinen Triathlon. Im Sommer ist das Triple aus Schwimmen, Radfahren, Laufen eine willkommene Abwechslung. Der Rücken wird entlastet, Gelenke und Sehnen außerdem, der Trott des Dauerläufers wird durchbrochen. Provinz-Wettbewerbe, auf denen Anfänger meist willkommen sind, werden jedes Wochenende irgendwo angeboten, sind jedoch sehr schnell ausgebucht. Während Läufer mit dem Radfahren über 40 Kilometer keine größeren Probleme haben dürfen, so stellt das Schwimmen den Hobby-Athleten doch vor neue Herausforderungen. Ein paarmal sollte man den kontinuierlichen Zug über 1 bis 1,5 Kilometer schon geübt haben.
Echte Triathleten kennen kein Pardon. Sie trainieren wie die Wilden. Frau und Kind? Egal, die stören nur. Damit die Lieben nicht rebellieren, sondern brav spuren, hilft manchmal eine geniale Finte.
Ich hatte Karl und Mona einen Ausflug versprochen, am Wochenende. Vom Briesensee hatte ich geschwärmt, seinen feinsandigen Gestaden, dem romantischen Café, der Ruhe dort im Spreewald kurz vor Cottbus. Meine Familie wunderte sich: Warum verzichtete der alte Spinner auf wertvolle Trainingszeit und wollte stattdessen ostzonale Kohlehydrathalden aufsuchen? Die Frage war berechtigt. Aber hätte ich die Wahrheit sagen sollen, dass mir meine Familie nur als Tarnung dient für einen Spionageausflug? Mona würde ich mit einem Spaziergang Arm in Arm am Strand korrumpieren und Karl mit Magnum Mandel.
Mona roch den Braten ziemlich schnell. Kaum hatten wir die Autobahn verlassen, fuhren vor und hinter uns ausschließlich Autos mit Rennrädern auf dem Dach oder im Kofferraum des Kombis. »Achim«, sagt Mona drohend, »wo schleppst du uns hin?« Ich pfiff ein fröhliches Lied und antwortete bestgelaunt: »Zum Briesensee, Schatz, dem schönsten Gewässer Brandenburgs.« Mona tippte sich an die Stirn. »Ganz Brandenburg besteht
aus schönsten Gewässern. Warum geigen wir anderthalb Stunden durch die Gegend?«
Die Straßensperre gab deutlich zu früh die Antwort. »Huch«, sagte ich und tat überrascht. »Aha!«, sagte Mona. »O nein«, stöhnte Karl von hinten. Sie hatten mich erwischt. »Wegen einer Triathlon-Veranstaltung ist die Durchfahrt nicht möglich«, verhieß das selbst gemalte Schild, dem der Dorfpolizist daneben zusätzlich Autorität verlieh. Die Autos wurden auf eine Wiese zum Parken geschickt, ein Trecker zog die Menschen auf einem Anhänger zum See. Damit war wenigstens schon mal Karl besänftigt.
Mona schwieg und guckte wie Angela Merkel. Wir saßen auf dem Anhänger zwischen Einkaufstaschen mit Neoprenanzügen und Männern, die Adilette zum Fleece-Pullover trugen. Ihre Frauen saßen daneben, streichelten ihre Helden und redeten ihnen gut zu wie hypernervösen Galoppern vor dem Start. Sie wachten über Plastikwannen, Müllsäcke und Flaschen mit bunten Essenzen. Sie waren stolz auf ihre Männer. Würde Mona je stolz auf mich sein? Sah gerade nicht so aus.
Wer je dachte, Läufer hätten einen Sockenschuss, wird beim Triathlon eines Besseren belehrt. Die wahrhaft Bekloppten treffen sich hier. Am Strand hatten sich die ersten in ihre Großkondome gezwängt und windmühlten mit den Armen. In etwa fünf Kilometern Entfernung waren Aufblasbojen zu sehen. Ein Landkilometer ist zu Wasser objektiv mehr, viel mehr. Vor allem, wenn man die Strecke schwimmen muss. Karl steckte einen Zeh in den Briesensee. »Igitt«, schrie er, »saukalt.«
Mein Winora-12-Gang hätte im Wechselgarten alle Mitathleten angelockt. Sie hätten sich schlapp gelacht. Was der durchschnittliche deutsche Familienvater in die Verspoilerung seines 3er-BMW pumpt, das investiert der Triathlet in Kohlefasern. O Campagnolo mio. Mona steht maulig am Ufer. Sie ahnt ja gar nicht, was wir in den letzten Jahren gespart haben. Demnächst werden wir wohl ein wenig investieren müssen, schon um der
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