Achilles Verse
Binnenkonjunktur
aufzuhelfen. Ich wollte immer schon ein zweites Konto anlegen, wegen des häuslichen Friedens.
Am Strand wurde es voller, ein Mann mit Megafon erklärte, wann wer in welcher Richtung wie oft wo entlanglaufen müsse. Ich verstand kein Wort. Noch fünf Minuten bis zum Start der ersten Gruppe: olympische Distanz, 1500 Meter Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren und 10 Kilometer Laufen. Meine. Vielleicht. Danach die wahren Helden: Mitteldistanz, 2200, 84, 20, die Hälfte von Hawaii. Nur viel kälter. Und in Ostdeutschland.
»Wir gehen jetzt Kaffee trinken«, befahl Mona. »Liebes, nur noch den Start«, flehte ich. Ich sah Hunderte schwarzer Würste in brodelndem Wasser, dann zogen mich meine Lieben davon. Ich musste durch einen Wald spazieren gehen, zu einem Ausflugslokal. Karl hatte sich zwei Stöcke genommen. »Wie Walker«, sagte er stolz, weil er dachte, eine erwachsenengerechte Bemerkung gemacht zu haben. »Lass das«, fauchte ich, »damit macht man keine Scherze.«
Zwei Tassen lauwarmen Kaffee, eine Tonne Glibberkuchen und stockende Gespräche später kamen wir zum Ziel zurück. Menschen fielen von Fahrrädern, Menschen sprangen auf Fahrräder, Helfer wedelten mit Fahnen, Partnerinnen kreischten, Trinkflaschen flogen durch die Luft. Manche liefen in textiler Notration die Straße entlang, ausgesprochen zügig übrigens.
Zum ersten Mal hellt sich Monas Miene auf. »Das sind aber knackige Jungs«, sagt sie. Offenbar erinnert sie sich an ihren gut gebauten Jugendfreund Carsten. »Schwimmen bringt’s halt für oben rum«, erkläre ich fachmännisch. »Du kannst nicht schwimmen«, entgegnet Mona. »Für dich würde ich’s trainieren«, sage ich. Meine Frau lacht. Mal sehen, wie lange.
Triathlon – der Familienspaß
Laufen allein ist für Partner und Kinder eine fade Angelegenheit. Gelegentlich kommt Papi vorbeigehechelt, die Familie zwingt sich zu Spontan-Euphorie, und der Sonntag ist im Eimer. Triathlon dagegen ist ein familienfreundlicher Sport. Im Strandbad, wo der Schwimmstart ist, kann die Familie faulenzen. Und in der nahen Wechselzone kommt das Familienoberhaupt, je nach Kurs, dreibis achtmal vorbeigewankt. Kennt man die Durchlaufzeiten des Athleten, kann sich die Gattin zeitnah aus dem Liegestuhl erheben, kurz pflichtjubeln und zurück in die Liege.
Triathlon ist eine tolle Sache. Leider gehört zum härtesten Sport der Welt auch die Teildisziplin Schwimmen. Nicht, dass unser Achim ein Weichei wäre. Vor heimischen Raubfischen hat er aber schon Respekt.
Der schleimige Klumpen, den die Wellen auf den Sand geschubst haben, könnte ein ehemaliges Käsebrötchen sein. Oder Teil einer Pampers. Oder vormaliger Inhalt dieser Schwäne, die keine zehn Meter entfernt im Schilf lauern, mit Heimtücke im Knopfauge. Sie werden mich anfallen, sobald ich ins Wasser gehechtet bin.
Es ist kurz vor sieben und menschenleer an der Krummen Lanke, abgesehen von ein paar Walkern, die mit ihren Stöckchen Schlangenlinien in den Waldboden ziehen. Walker sind egal. Die fallen als Zeugen aus. Walker sind die Hirntoten unter den Waldbesuchern. Hat man jemals gehört, dass ein Walker eine Leiche im Wald fand? Nein, es waren immer Jogger. Walker legen sich wahrscheinlich entkräftet neben eine Leiche und warten auf den Krankenwagen, der sie nach Hause transportiert, liegend natürlich.
Manche Gedanken macht man sich nur, um Zeit zu gewinnen. Zum Beispiel, wenn man in Badehose im Sand steht, sich das Wasser grau und feindselig um die Füße schleicht und die eher unschönen Teile der Nahrungskette wie ein Absperrband vor einem liegen.
Warum um Himmels willen sollte ich da reinspringen? Warum überhaupt schwimmen? Es gibt Boote, Brücken, Uferwege, Jesus. Schwimmen ist die unökonomischste aller Fortbewegungsarten. Maximal anstrengend bei minimalem Vorwärtskommen. Nass und kalt ist es obendrein. Schwimmen ist eine reine Notfallfähigkeit, die man beherrschen sollte, aber praktisch nie anwenden muss im Leben. Es sei denn, man will Triathlet werden.
Bis zu den Waden habe ich mich schon ins Wasser vorgearbeitet. Irgendwas schnappt nach meinen Füßen. Wie war die Geschichte mit dem Killerwels, der letzten Sommer einen Pudel vom Ufer in den See gerissen hat? Und die Schlingpflanzen erst, die da draußen lauern. Man verheddert sich, schlägt um sich, verheddert sich noch mehr und unerbittlich ziehen einen die Pflanzen hinab. Exakt auf diesen Moment wartet der Wels. Und dann schnappt er zu und frisst mich auf.
Ein
Weitere Kostenlose Bücher