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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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Düsseldorf verständigt. Man gibt Sie für diese Aufgabe frei.«
    Die wissen ja selbst nicht, was sie mit mir noch anfangen sollen, dachte Lohkamp. Laut sagte er: »Außerdem habe ich noch Urlaub.«
    »Den haben Sie doch seit dem Ende der WM!«
    »Stimmt. Aber seit heute feiere ich meine hundertsechsunddreißig Überstunden ab. Das sind fast vier Wochen. Und in zweihundertzwanzig Kalendertagen werde ich pensioniert.«
    »Glückwunsch. Aber mit Leuten wie Ihnen wird der Fall rechtzeitig gelöst, sodass Sie die Überstunden noch vor Ihrer Pensionierung absitzen können.«
    Schleimbeutel, dachte Lohkamp. Und von Polizeiarbeit hat der noch immer keine Ahnung. Es war Zeit für das finale Argument: »Außerdem: Bei Sprengstoffgeschichten ermitteln nicht wir, sondern der Generalbundesanwalt.«
    »Genau das ist es doch«, versicherte der Präses und senkte die Stimme, als ob er damit unerwünschte Lauscher ausschalten könnte. »Was wird passieren? Der GBA schickt uns einen Oberaufseher, BKA und LKA stellen ihm noch ein paar Kofferträger zur Seite – aber die eigentliche Arbeit müssen doch wieder unsere Leute leisten.«
    So respektlos hatte sich der Präses vor dem Regierungswechsel in Berlin und Düsseldorf noch nie über das Bundes- und Landeskriminalamt geäußert – zumindest nicht in seiner Gegenwart.
    »Bitte, Herr Flenner. Das war doch immer so. Was ist daran neu? Wozu brauchen Sie ausgerechnet mich?«
    Das Schweigen in der Leitung sprach Bände: Flenner hatte Schiss, am Telefon etwas gegen die neuen Herren dieser Dienste zu sagen. Dann flüsterte er: »Die jetzige Landesregierung hat doch alles umgekrempelt. In Düsseldorf sitzen lauter neue Leute, alle regierungstreu, aber nicht unbedingt echte Spitzenkräfte. Von Karlsruhe wollen wir erst gar nicht reden. Und deshalb brauche ich für die Soko ein paar unserer eigenen Leute, die einen klaren Blick und Mut zum eigenen Urteil haben.«
    Jetzt war Lohkamp wirklich verblüfft. Zum ersten Mal traute dieser Polizeichef ihm so etwas wie Sachverstand zu – und verlangte als Qualitätsmaßstab den Mut zum Widerspruch.
    Flenner musste einen äußerst delikaten Tathintergrund wittern. Die Frage war, ob die Soko diesen Hintergrund aufklären oder vertuschen sollte.
    Wie auch immer, einerseits reizte ihn der Fall, andererseits gefiel es ihm auf seinem Balkon viel besser.
    »Herr Flenner, ich glaube, ich feiere lieber meine Überstunden ab.«
    Kleine Pause, dann drang ein resigniertes Seufzen aus der Leitung: »Verstehe. Offenbar haben diese Leute ja doch Recht.«
    »Welche Leute? Womit?«, hakte der Mann im Schlafanzug reflexartig nach.
    »Na ja.« Flenner legte noch eine Pause ein. »Was ich Ihnen jetzt sage, entspricht nicht meiner eigenen Meinung. Aber es gibt etliche jüngere Kolleginnen und Kollegen, die den KHK Lohkamp schon abgehakt haben. Da kursieren Begriffe wie ›Burn-out‹, ›amtsmüde‹, ›reif fürs Archiv‹.«
    Flenners Stimme triefte von geheucheltem Mitleid.
    »Aber ich kann Sie gut verstehen. So kurz vor der Pension möchte man sich nicht zum Gespött machen.«
    Lohkamp spürte, wie sein Magen rebellierte. Diese Arschgeigen! Kriegen es selbst nicht gebacken, aber reißen das Maul auf.
    »Wer ist denn noch in der Soko?«, hörte er sich fragen.
    »Hoffmann, Thalbach, Eilig …«
    »Was ist mit Hardenberg? Ein guter Mann. Und wenn ich Ihnen einen Tipp geben darf: Frau Langer aus Hagen – wenn Sie die kriegen könnten.«
    »Ihre frühere Assistentin?«
    »Ja. Sie erinnern sich: Sie hat die Geschichte mit dem türkischen Mädchen sauber gelöst!«
    Jetzt musste der Präses schlucken: Bei den Ermittlungen gegen eine Nazi-Truppe war sein eigenes Ziehkind aus dem Polizeibüro II, der politischen Polizei, gewaltig abgestürzt.
    »Die Langer kann ich Ihnen nicht versprechen. Da muss ich mit der Präsidentin in Hagen reden. Aber Hardenberg geht klar.«
    »Und was ist mit meinem alten Büro? Zusammen mit …«
    »Das Türschild mit Ihrem Namen hängt schon!«
    Lohkamp zögerte eine weitere Sekunde. Noch konnte er Nein sagen. Aber mit Hardenberg zusammen – das machte Spaß. Der Junge kam aus der mittleren Beamtenlaufbahn und hatte mit Bestnote seinen Kommissar gemacht. Mit ihm im Team würde er die Burn-out-Schwätzer schon zum Schweigen bringen.
    »Gut, ich bin dabei. Aber höchstens dreißig Tage. Ich will nicht erst im Winter an die Nordsee.«
    »Versprochen.«
    »Wo soll ich mich melden?«
    »Am Tatort.« Flenner gab die Adresse durch. »Vorerst leitet

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