Achsenbruch
dort der Chef des 11. Kommissariats.«
»In Ordnung. Ich bin in anderthalb Stunden da.«
»Prima, Herr Lohkamp. Und: danke.«
Meine Güte, dachte der Hauptkommissar. In Bochum geht einigen Leuten der Arsch auf Grundeis. Aber er selbst hatte vorher noch ein anderes Problem zu lösen: »Gabi?«
Seine Frau erschien, ein Stück Tapete in der Hand. Mit einem dicken Filzstift geschrieben stand da: Ich will ans Meer. Aber Horst …
Er stand auf und nahm sie in den Arm: »Schreib: … braucht noch einen letzten guten Fall.«
»Idiot!«, sagte sie und boxte ihm gegen die Brust. »Überleg doch! Du hast ihm mindestens doppelt so oft widersprochen wie mir. Also eigentlich immer. Du hast Ergebnisse geliefert, die er nicht gewollt hat. Und du hast nie vor ihm auf dem Teppich gelegen, um seine Schuhe zu küssen. Darum hasst er dich.«
»Und was soll mir passieren?«
»Überleg doch: Es gibt immer noch Polizisten, die dir deine Ermittlungen in dem Punkermord nicht verziehen haben. Seit den Vernehmungen in der Polizeikaserne bist du Nestbeschmutzer und Kameradenschwein. Und jetzt zieht er dich wieder in eine Sache hinein, an der du dir nur die Finger verbrennen kannst. Du musst allen auf die Füße treten, die in Bochum was zu sagen haben.«
»Und wenn schon«, wiegelte Lohkamp ab und nahm seine Frau in den Arm. »Meine Pension wird es schon nicht kosten.«
6
PEGASUS verließ den Sheffield-Ring genau unter der Königsallee und folgte der Abbiegespur in Richtung Süden. Charlottenweg, dachte Mager und blickte auf das Display des Navigationsgerätes. Er erinnerte sich, dass sie hin und wieder hier spazieren gegangen waren, als Karin noch in dieser Gegend wohnte. Etwas an der Topografie dieser Straße war nun zu kompliziert für das schlichte Gemüt der Navi-Tante namens Marlene, wenn sie eine Zielangabe ohne Hausnummer bekam.
Als sie am höchsten Punkt der Königsallee die Markstraße überquerten, fiel es Mager ein: »Die Straße besteht aus zwei Teilen. Und man kommt von dem einen nicht direkt in den anderen, weil irgendein Großbauer oder Lottokönig …«
»Wir sind richtig, Vadda!«, unterbrach ihn Kalle und deutete auf die dunkle Rauchsäule, die links von ihnen aus einer Talsenke aufstieg.
Mager reagierte sofort: »Rechts ran! Ich will den Qualm haben!«
Nach einem Blick in den Rückspiegel stoppte Kalle und setzte den Wagen auf dem Radweg einige Dutzend Meter zurück. »Okay?«
Der Alte stand schon neben dem Wagen und peilte die Lage: »Wo ist die Trittleiter?«
»Im Büro. Du hast sie doch gebraucht, als …«
»Und du hast sie wieder einzupacken!«
Kalle warf einen flehenden Blick zum Himmel, aber außer dem satten Blau des Sommermorgens gab es kein hilfreiches Zeichen.
»Hühnerleiter!«, kommandierte der Kameramann.
Der Sohn hielt ihm die ineinander verschränkten Hände hin. Ächzend kletterte Mager auf das Wagendach und versuchte, sich aufzurichten. Dabei schwankte er ein wenig und Kalle sah seinen Erzeuger schon stürzen. »Soll ich nicht doch lieber …«
»Klappe«, knurrte Mager und streckte die Hand aus: »Kamera!«
Während der Bärtige die angewinkelte Kamerahand unter dem Ellenbogen abstützte, stand Kalle bereit, um ihn notfalls aufzufangen. Doch Mager stand jetzt wie ein Denkmal auf dem Octavia, nahm die Rauchsäule ins Visier und zoomte sich an das Geschehen heran. Aber mehr als das rote Dach eines Löschfahrzeugs bekam er nicht in den Sucher.
Eine Minute später saßen alle drei wieder im Wagen und düsten Richtung Süden.
»Demnächst wenden!«, empfahl die geduldige Stimme der Navigation. Mager schaute schon jetzt zur anderen Straßenseite hinüber, aber der dicht bewachsene Mittelstreifen verbarg die Einfahrt zum Charlottenweg.
Bis zur nächsten Kreuzung dauerte es noch eine halbe Minute, dann lenkte Kalle den Skoda mit einem engen Halbkreis in die Gegenrichtung. Marlene reagierte einen Augenblick später: »In dreihundert Metern rechts abbiegen. Dann haben Sie Ihr Ziel erreicht.«
Kalle drosselte die Geschwindigkeit, setzte den Blinker und bog rechts ab, aber nach nur zehn Metern war die Fahrt zu Ende: Ein Streifenwagen blockierte die Einfahrt.
»WDR!«, rief Susanne, doch die Polizisten schüttelten einträchtig die Köpfe: »Sie können hier nicht durch.«
Als die Chefin die Tür öffnen wollte, meldete sich Mager: »Lass es. Ich weiß was Besseres. Wir nehmen den Hintereingang!«
Er dirigierte Kalle in den Nussbaumweg. Die Straße wurde auf beiden Seiten von
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