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Achsenbruch

Achsenbruch

Titel: Achsenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Junge
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landet.
    »Ich habe aber nur noch gehört«, fuhr der Weißhaarige fort, »dass da unten ein Wagen wegfuhr.«
    »Da unten – das ist vor Frau Sonnenscheins Haus?«
    »Genau. Also, da ist ein Pkw weggefahren. Ich habe ihn gehört und die Scheinwerfer gesehen. Aber vor Sonnenscheins Haus stand, glaube ich, ein Lkw.«
    »Wieso glauben Sie das?«
    »Na ja, da glänzte ein Autodach im Mondlicht. Genaueres konnte ich nicht erkennen, aber Pkws sind zu flach. Die kann ich von meinem Balkon aus nicht sehen …«
    »Danke schön, Herr Körner!«
    Als Mager wieder vorne stand, um das Geschehen im Charlottenweg zu verfolgen, kam plötzlich Bewegung in die dort versammelten Polizisten.
    Ein schwarzer Benz fuhr an den Wendehammer heran, eine kleine Frau sprang heraus und wurde von einem Mann in Zivil davon abgehalten, zu dem beschädigten Haus zu rennen.
    Mager ließ die Kamera laufen und schielte über das Display hinweg. Kein Zweifel, das war Lohkamp. Und die aufgeregte Frau musste Bochums OB sein.
    »Zeig mal«, forderte Susanne, als er die Kamera absetzte. Zufrieden nickte sie die Sequenz ab. Dann musterte sie die Umgebung. Noch immer war kein anderes Aufnahmeteam in Sicht.
    »Also gut. Kalle kann gleich das nächste Taxi rufen. Und wenn Lohkamp mit der Dame fertig ist, rufst du ihn an!«
    7
    Rauch – beißender, stinkender Rauch. Das war das Erste, was Lohkamp wahrnahm, als er in der Nähe des Tatortes seinen Ford Focus abstellte. Unter seinen Füßen knirschte Fensterglas. Die Wucht der Detonation hatte nicht allein Beißners Cabrio zerlegt, sondern auch die gesamte Vorderfront des Pritschenwagens. Von der Fahrerkabine war so gut wie nichts mehr übrig – nur die Lenksäule ragte aus dem Schrott heraus. Im Dach des Wohnhauses klafften Löcher, hinter denen geschwärzte Balken zu sehen waren, die Fensterhöhlen im Erdgeschoss waren leer, die Fassade von Rauchspuren überzogen. Der Attentäter hatte beim Sprengstoff nicht geknausert.
    »Morgen, Horst!«
    »Katharina!«
    Lohkamp drückte der Oberkommissarin die Hand. Thalbach gehörte in seiner Werteskala zu den erfreulicheren Menschen in dem karrierebesessenen Kriminalkommissariat 11, das sich mit Mord und Totschlag beschäftigte.
    »Da ist jemand auf Nummer sicher gegangen«, sagte sie. »Es hat sogar noch den Fahrer des Abschleppwagens erwischt.«
    Der Wagen stand gut fünfzehn Meter von der Explosionsstelle entfernt. Das Blech des Führerhauses war auf der linken Seite mit Metallsplittern gespickt, das Fenster auf der Fahrerseite gesprungen.
    »Wo ist der Mann?«
    »Hat Schwein gehabt: Ein paar Splitter in Gesicht und Schulter. Die Sanis haben ihn in die Landesklinik gebracht. Die Seelenklempner werden mehr Arbeit mit ihm haben.«
    Lohkamp holte tief Luft. Gegenüber den direkt Beteiligten hatte er bei fast allen Verbrechen eine Art Barriere vor sich aufgebaut, die ihn vor störenden Gefühlen schützte. Aber die unbeteiligten Opfer dauerten ihn von Jahr zu Jahr mehr.
    »Tote?«
    »Ein Mann. Nicht besonders erfreulich. Der Kopf hing in den Bäumen und war noch zu identifizieren. Der Rest liegt in der Gegend herum. Brettschneider hat seine Freude daran.« Sie deutete auf den beleibten Rechtsmediziner, den einst die Macht der Liebe aus München in den Ruhrpott gelockt hatte – auch wenn er immer behauptete, er sei nur gekommen, weil er lieber tote Preußen als tote Bayern auf dem Tisch hatte.
    »Wer ist … war der Tote?«
    »Lukas Beißner. Lebensgefährte der OB. Rechtsanwalt in Hattingen.«
    Lohkamp ging ein paar Schritte auf den Abschleppwagen zu. Die Wucht der Explosion hatte ihn offenbar erwischt, als er gerade einen großen Bogen im Wendehammer ziehen wollte.
    Lohkamp blickte den Weg zurück, den er zu Fuß gegangen war. Das nächste Haus lag rund dreihundert Meter entfernt in der Talsohle. »Wer wohnt dort?«
    »Der Bauer, dem das ganze Land hier mal gehört hat oder noch gehört. Frau, zwei Töchter und drei Gestalten, die da Schwarzarbeit machen.«
    »Und dort oben?«
    Der Hauptkommissar deutete den Hang hinauf, der von einer Reihe Pappeln gesäumt war. Durch die Bäume schimmerte die weiß-blaue Klinkerfassade eines größeren Wohnhauses und hinter Zaun und Hecke reckten ein paar Dutzend Menschen die Hälse.
    »Darum kümmern wir uns später. Wenn Hardenberg und die anderen kommen.«
    Lohkamp nickte und kramte nach seinen Zigaretten: »Ist dir an dem blauen Wagen etwas aufgefallen?«
    »Klar. Hat keine Kennzeichen«, lächelte sie und wurde ernst:

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