Acht cropped
„Hallo Frau Kellermann! Das ist ja schön, dass ich mal wieder von Ihnen höre .«
„Ich habe es in den letzten zwei Tagen schon mal versucht, aber ich habe dich nie erreicht. Du hattest anscheinend viel zu tun."
»Ja, ich war gestern und vorgestern fast ununterbrochen in der Schule. Wir haben zurzeit eine Projektwoche, und die ist immer sehr aufwendig. Aber warum haben Sie nicht einfach auf den Anrufbeantworter gesprochen, dann hätte ich Sie zurückgerufen?"
Frau Kellermann zögerte erst, bevor sie antwortete: „Nein, so wichtig ist es nicht. Ich wollte dir nur das Angebot machen, in den nächsten Tagen mal bei mir vorbeizukommen. Ich sortiere nämlich gerade Cordulas Hab und Gut, und da habe ich mir gedacht, dass du vielleicht einige Sachen von ihr haben möchtest. CDs, Bücher oder irgendwelche Gegenstände, die für dich vielleicht von Bedeutung sind. Fotos zum Beispiel."
„Das ist nett, dass Sie dabei an mich gedacht haben. Das würde ich gerne machen. Würde es Ihnen passen, wenn ich Sie Freitag am späten Nachmittag besuche? Dann könnte ich direkt nach der Schule losfahren."
»Gern, Marc. Es ist nur so..." Wieder zögerte sie. „Es stellt sich bei diesen Nachlässen teilweise heraus, dass man sein eigenes Kind wohl doch nicht so gut kannte, wie man immer gedacht hat. Und man versteht auch so manche Dinge nicht."
„Was meinen Sie damit?"
„Ich weiß ja, dass Cordula und du euch ziemlich nahgestanden habt. Aber das mit den Fotos kann ich mir einfach nicht erklären .«
Marc starrte irritiert Löcher in die Luft. »Welche Fotos?«
„Nun, Cordula hatte in ihrer Schatulle Fotos von dir."
»Das wundert mich nicht wirklich. Schließlich waren wir sogar zusammen im Urlaub."
»Solche Fotos meine ich nicht." Pikiert suchte Frau Kellermann nach den richtigen Worten. »Da waren Aktbilder."
Kopfschüttelnd lief Marc in seiner Wohnung auf und ab. Er verstand die Welt nicht mehr.
Daniel begrüßte Minney, als er nach der Arbeit nach Hause kam. Er fütterte sie, goss sich ein Glas Mineralwasser ein und ging zum Briefkasten. Neben zwei Werbebriefen, die er direkt entsorgte, weckte ein weißes Kuvert ohne Absender sein Interesse. Er setzte sich auf seinen Schreibtischstuhl und öffnete den Umschlag.
Zum Vorschein kam ein kleines, flaches Papierschächtelchen, wie Parfümerien sie verwenden, um Proben an Kunden zu verteilen. Dieses Exemplar war anscheinend selbst gebastelt worden, denn es trug weder Werbeaufschrift noch Hinweise über den Inhalt. Es war sehr leicht, sodass er zunächst davon ausging, dass es leer sei.
Stirnrunzelnd legte Daniel die flache Schachtel zur Seite und zog einen Bogen Papier aus dem Umschlag. Es beinhaltete eine Botschaft aus ausgeschnittenen, unterschiedlich großen Zeitungsbuchstaben.
GRATULIERE DIR ZU DEINEM GRANDIOSEN FREUND.
SAG IHM, ER HÄTTE DAS KONDOM NACH UNSEREM LETZTEN FICK BEI
MIR VERGESSEN.
Daniel konnte nicht glauben, was er da las. Warum sollte sich irgendjemand die Mühe machen, wie bei einem Erpresserbrief Zeitungsletter zu einem Text zusammenzufügen? Aus Angst, er würde bei einem handschriftlichen Brief damit zur Polizei gehen, um ihn nach Spuren zu untersuchen?
Oder wollte dieser Jemand ihn und Marc auseinanderbringen und griff deshalb zu dieser drastischen Aufmachung?
Fast schon reflexartig öffnete Daniel das kleine Schächtelchen und zog den Inhalt hervor - ein benutztes Kondom.
Angewidert warf er es in den Mülleimer und wusch sich die Hände.
Welches Schwein dachte sich so etwas aus?
Und hatte Marc tatsächlich etwas damit zu tun?
Hatte er vielleicht eine Affäre mit jemandem, der sich jetzt bei ihm rächen wollte?
Er griff zum Telefon und wählte Marcs Handynummer.
15
Sie würde es wohl nie schaffen, aus einem Feuerwehrmann einen Hausmann zu machen.
Kopfschüttelnd stand Sonja mit einem Eimer voller Reinigungsmittel und Putzlappen bewaffnet in dem kleinen Arbeitszimmer unterm Dach, das Andreas von jeher als seine Bastion zum Rückzug und Tüfteln nutzte. Auf jedem nur erdenklich freien Platz hatte ihr Mann Werkzeuge, Papiere, Handbücher und anderes Zeugs gepackt; vielleicht hatte er anfangs den Hintergedanken, die Dinge nach und nach ordentlich zu sortieren. Letztendlich hatte er sie aber dauerhaft in einer zur Chaos-Bücherei derangierten Männerwerkstätte hinterlassen.
Sonja hatte ihm diese letzte Zuflucht zugestanden. Sollte er sich doch in seinem Durcheinander zurechtfinden. Aber letztendlich war sie diesmal selbst schuld
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