Acht Tage im August
gestanden hat, was er mit seiner Tochter angestellt hat.« Sie ließ los.
Grimm ging zu Boden, schnappte nach Luft, presste die Hände in seinen malträtierten Schoß.
Petra Gerstmann griff sich ihre Handtasche, ging beschwingten Schrittes quer durch den Raum zur Tür, öffnete sie und blickte über ihre Schulter zu ihm zurück.
»Bis dann, mein Lieber!«, rief sie gut gelaunt und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
Diesen Professor Friese werde ich bald genauso an den Eiern haben wie meinen lieben Peter eben, dachte Petra Gerstmann, grimmig lächelnd, während sie im Lift nach unten fuhr. Und ich werde erst loslassen, wenn sein unterschriebenes Geständnis vor mir liegt.
5 Jemand auf die Kirchweih laden = Vornehme bayerische Umschreibung dafür, dass man jemandem das Götz-Zitat entgegenschleudert.
Dienstag
Martina Donabaur, der sonst so gewissenhaften Haushälterin der Frieses, unterliefen am Dienstagmorgen zwei verhängnisvolle Fehler. Der erste war, dass sie beim Bäcker nicht nur Semmeln holte, sondern auch wie üblich und ohne groß hinzuschauen diverse Zeitungen, eine davon für sich selbst. Dass der Gruß der Verkäuferin frostiger ausfiel als sonst und die anderen Leute im Laden tuschelten, als sie hereinkam, merkte sie nicht. In ihrem Kopf ging noch alles drunter und drüber von den Ereignissen der letzten Tage.
Auch sie war von Annas Tod heftig gebeutelt worden. Seit acht Jahren bei Frieses angestellt, hatte sie Anna vom Kind zum Mädchen heranwachsen sehen, war, weil die Mutter es nicht konnte oder wollte, ihre Vertraute geworden, hatte sie wegen ihres fröhlichen, einnehmenden Wesens lieb gewonnen. Erschüttert und verwirrt von Annas plötzlichem Tod, unterlief ihr denn auch der zweite Fehler an diesem Morgen: Sie deckte gedankenlos den Frühstückstisch nach jahrelanger Gewohnheit für drei!
Annas Eltern waren schon früh aufgestanden. Sie hatten am Abend vorher lange beieinander gesessen, endlich Worte gefunden, geredet, einander angeschrien, sich selbst und einer dem anderen Vorwürfe gemacht, hatten versucht, sich wieder zu beruhigen, waren erneut in Streit geraten. Annas Tod hatte die in 18 Ehejahren aufgestauten, aber nie offen ausgetragenen Differenzen wie ein Dammbruch über sie hereinbrechen lassen. Vorwürfe, Schuldzuweisungen, Verzweiflung, Ratlosigkeit mündeten am Ende in einen bitteren Streit, bei dem immer rascher ein unbedachtes Wort das andere gab und an dessen Ende sie, erschöpft von Leid und Kampf, spät nachts in getrennten Zimmern zu Bett gingen. Schlaf fanden sie keinen.
Am Morgen ließen sie, entkräftet von der Auseinandersetzung des Vorabends und einer ruhelosen Nacht, die Waffen schweigen. Es war ohnehin alles gesagt.
Als Claudia Friese zum Frühstücken herunterkam, nahm das Unglück seinen Lauf. Sie erblickte Annas Gedeck, presste die Lippen zusammen, räumte es ab, trug es mit zitternden Händen in die Küche und stellte es auf die Anrichte. Direkt neben den Einkaufskorb mit den Zeitungen.
›Verdacht!‹, schrie ihr Grimms Schlagzeile auf der Titelseite des obersten Blattes entgegen. Darunter, riesengroß, ein Bild von Anna. Sie zog die Zeitung heraus und las: ›Selbstmord mit 16! Was hat Anna F. in den Tod getrieben? Wir suchen Antworten im Interview mit der Psychologin Dr. Christa Keim-Weidenfels auf Seite 3.‹
Mechanisch blätterte sie um und las weiter: ›Der Suizid einer 16- Jährigen, die in Rasting nackt vom Kirchturm in den Tod sprang, gibt Rätsel auf. Peter Grimm sprach mit der Psychologin Dr. Christa Keim-Weidenfels.
PG: ›Da die Polizei Alkohol- oder Drogenmissbrauch ausschließt, wo können die wahrscheinlichsten Ursachen für den Selbstmord einer Jugendlichen liegen?‹
KW: ›Die können vielfältiger Natur sein. Immerhin steckt ein Mädchen mit 16 mitten in der Pubertät, in der Phase der Selbstfindung, großer Unsicherheit.‹
PG: ›Wie alle Jugendlichen in dem Alter. Die bringen sich aber, Gott sei Dank, nicht alle um. Was muss da hinzukommen, Liebeskummer etwa?‹
KW: ›Extrem selten, denn Liebeskummer, das Enttäuschtwerden, gehören dazu.
Es ist sozusagen die normale Trial-and-Error- Methode, aus der wir für die Partnerwahl lernen.‹
PG: ›Wenn wir das ausschließen können und die dramatischen Umstände des Suizids von Anna F. in Betracht ziehen, worauf lässt das dann schließen? Wollte sie mit ihrem nackten Körper vielleicht den Hinweis geben, dass sie schutzlos Gewalt ausgeliefert war?‹
KW: ›Das ist
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