Achtmal kam der Tod Kommissar Morry
denn?“, fragte James Keeton forschend.
Marion Clifton wurde rot vor Verlegenheit. „Wo wird er wohl sein, Mr. Keeton. Er verbringt seine Abende nur noch bei dieser Tänzerin. Ich erfuhr durch einen Zufall ihre Adresse. Sie heißt Hazel Playford und wohnt in der Lambert Ave in Richmond.“
James Keeton schüttelte verständnislos seinen Kopf. „Ich halte Edward trotz allem nicht für schlecht“, murmelte er nachdenklich. „Auch Sie sollten Verständnis für seine Lage haben, Mrs. Clifton. Die Entlassung aus den Jaspers Werken hat ihn zutiefst getroffen. Nun will er eben bei einer fremden Frau Betäubung und Vergessen suchen. Das ist alles.“
„Ich wollte, Sie hätten recht“, sagte Marion Clifton wehmütig.
„Ich würde ihm ja auch alles verzeihen. Aber er müßte dann bald wieder auf den rechten Weg zurückfinden. Sonst ist es zu spät.“
„Warten Sie erst ab, was wir Ihnen zu sagen haben“, rief James Keeton gutgelaunt. „Ich habe Clark Digby mitgebracht. Da er nicht freiwillig mitkommen wollte, habe ich ihn gewaltsam hierhergeschleift. Er hat Ihnen etwas zu sagen.“
Clark Digby sah beileibe nicht so aus, als hätte er eine wichtige Nachricht zu überbringen. Ganz im Gegenteil! Er wirkte verschlossen und abweisend. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich verkniffen. In den Augen flackerte eine heimliche Angst.
„Na, so reden Sie schon, alter Freund“, brummte James Keeton ungeduldig. „Machen Sie endlich den Mund auf.“
Clark Digby verzog sein Gesicht zu einer ängstlichen Grimasse.
„Ich sollte eigentlich schweigen“, hüstelte er gepreßt. „Wenn man viel redet, kann man leicht sein Leben verlieren. Aber soviel muß ich Ihnen doch sagen, Mrs. Clifton: Ihr Mann wurde zu Unrecht entlassen. Er hat damals den Einbruch nicht begangen. Man wird ihn wieder einstellen müssen . . .“ „Ist das wahr?“, fragte Marion Clifton ungläubig. Eine schüchterne Hoffnung blühte 'in ihrem verhärmten Gesicht auf. „Ist das wirklich wahr?“ „Ganz bestimmt“, versicherte Clark Digby bedrückt. „Ich könnte es notfalls beschwören.“
„Er hat damals den wirklichen Täter gesehen“, fügte James Keeton hinzu. „Wenn er Ihnen den Namen dieses abgefeimten Diebes nennt, ist Ihr Mann glänzend rehabilitiert.“
„Bitte, nennen Sie mir den Namen“, sagte Marion Clifton schüchtern.
Aber Clark Digby tat ihr diesen Gefallen nicht. Er schielte mit spitzem Gesicht zu ihr her.
„Ich kann Ihnen den Täter nicht nennen“, murmelte er scheu. „Ich bin nicht ganz sicher in meinem Verdacht. Es war damals völlig dunkel im Bürozimmer Leslie Carrons und . . .“
„Aber Sie sagten doch eben selbst, daß es Edward nicht gewesen sein kann.“
„Er war es auch nicht. Edward ist groß und breitschulterig, der Täter aber war von zierlicher, fast schmächtiger Gestalt. Verstehen Sie mich jetzt? Ich konnte sein Gesicht nicht genau erkennen. Ich kann nur vermuten, wer es war. Eine Vermutung aber ist kein Beweis.“
James Keeton wollte zu einem Ende kommen. „Mr. Digby wird schon noch reden“, sagte er tröstend. „Fassen Sie sich noch ein paar Tage in Geduld, Mrs. Clifton. Bestellen Sie Ihrem Mann freundliche Grüße. Er darf schon heute auf seine Wiedereinstellung hoffen.“
Es wurden noch ein paar höfliche Worte gewechselt, dann begannen sich die beiden Herren zu verabschieden. Marion Clifton begleitete sie bis auf die Straße hinunter. Erst als sie außer Sichtweite waren, schloß sie die Tür ab.
„Wie steht's?“, fragte James Keeton seinen Kollegen. „Wollen wir noch ein Glas zusammen trinken?“
„No“, sagte Clark Digby hastig und hob abwehrend beide Hände. „Ich bin der gleichen Ansicht wie Leslie Carron: Man darf heute keinem Menschen mehr trauen. Ich bin am liebsten allein. Gute Nacht, Mr. Keeton.“
Er war sich der verletzenden Wirkung seiner Worte gar nicht bewußt. Ohne dem anderen noch einen Blick zu gönnen, lief er in entgegengesetzer Richtung davon. Er dachte allerdings mit keinem Gedanken daran, jetzt schon nach Hause zu gehen. Er war viel zu aufgeregt, um an eine friedliche Nachtruhe zu denken., Er mußte endlich einmal versuchen, seine Angst zu vergessen. Er brauchte Menschen um sich, frohe Geselligkeit, Wein, Musik und Frauen. Während er sich noch überlegte, in welches Lokal er gehen sollte, stand er plötzlich vor dem Lancaster Gate. Zur Rechten blendeten lila Neonröhren in die Nacht. In ständigem Wechsel flammten die einzelnen Buchstaben
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