Achtmal kam der Tod Kommissar Morry
auf.
„Havana-Bar“, las Clark Digby murmelnd. Er trat näher. Mit verkniffenen Augen musterte er die grellen Plakate und ausgestellten Photos. Er sah Hazel Playford in dünnem Flitterkostüm und aufreizender Pose. Ihre körperlichen Reize waren deutlich zur Schau gestellt. Kokett blickten ihre Augen durch das Glas des Schaukastens.
Einige Minuten zauderte Clark Digby unentschlossen. Er war nur selten in dieser Bar gewesen. Aber wenn er sie besucht hatte, dann hatte er stets Edward Clifton in diesen Räumen getroffen.
„Ich möchte ihm jetzt nicht gern in den Weg laufen“, murmelte er halblaut vor sich hin. „Ich möchte überhaupt niemanden von den Jaspers Werken sehen. Ich wäre glücklich, wenn ich keinem Bekannten begegnen würde.“
Er öffnete schüchtern die Tür und trat mit zögernden Schritten in den schummerigen Barraum ein. Das erste, was er sah, war Hazel Playford, die sich schlank und graziös auf der winzigen Parkettfläche wiegte. Sie tanzte zu dem schrillen Rhythmus einer kleinen Rumbakapelle. Ihr braungetönter Körper war biegsam und geschmeidig. Man konnte ihr ohne weiteres Zutrauen, daß ein Mann wie Edward Clifton Wachs in ihren Händen war.
Clark Digby bahnte sich einen Weg durch die überfüllten Tischreihen und steuerte geradenwegs auf die Bartheke zu. Er kletterte auf einen stelzbeinigen Hocker und bestellte einen doppelten Venustropfen.
„Ah, Mr. Digby!“, sagte das dunkelhaarige Barmädchen erfreut. „Habe Sie lange nicht mehr gesehen. Wo stecken Sie denn die ganze Zeit? Ich erinnere mich noch gut an die großen Zechen, die Sie früher machten.“
Clark Digby mußte sich erst besinnen, wie die Kleine hieß. Minutenlang rätselte er an ihrem Namen herum. Dann endlich kam er darauf. Ann Barnet, dachte er. Sie heißt Ann Barnet.
„Wohnen Sie immer noch in dem kleinen Hotel an der Putney Station?“, fragte er zerstreut.
„Natürlich!“, lächelte Ann Barnet kokett. „Wir haben so ziemlich den gleichen Heimweg, Mr. Digby. Erinnern Sie sich denn nicht mehr? Sie haben mich schon zweimal in Ihrem Wagen mitgenommen.“
„Kann sein“, murmelte Clark Digby geistesabwesend. „Der Wagen steht heute in der Garage. Ich bin den weiten Weg zu Fuß gegangen.“
Er drehte sich unruhig um und spähte über die Tische hinweg. Krampfhaft suchten seine Blicke das Halbdunkel zu durchdringen.
„Ist Edward Clifton da?“, fragte er heiser.
Ann Barnet lachte spöttisch. „Ich glaube, ihm ist das Geld aus gegangen“, kicherte sie. „Man sieht ihn kaum noch mit Hazel Playford zusammen. Mir scheint, sie will sich einen neuen Verehrer suchen.“
Clark Digby trank sein Glas leer und brütete dann schweigsam vor sich hin. Die Klänge der Musik drangen kaum bis an sein Gehör. Audi das Murmeln und Lachen der Gäste hörte er nur wie aus weiter Ferne.
„Was haben Sie denn?“, fragte Ann Barnet verwundert. „So kenne ich Sie gar nicht, Mr. Digby. Früher waren Sie immer bei bester Laune. Und heute sitzen Sie da, als hätten Sie einen direkten Fahrschein zur Hölle in der Tasche.“
Clark Digby schwieg. Was hätte er auch sagen sollen? Er hielt es für kindisch, mit ihr über seine Todesahnungen zu reden. Sie hätte ihn wahrscheinlich nur ausgelacht. Was wußte sie auch von den sechs gläsernen Kapseln, die ihn keine Sekunde zur Ruhe kommen ließen. Er mußte Tag und Nacht an diese tödlichen Glaskugeln denken. Er brachte einfach seine Gedanken nicht davon los.
„Schenken Sie mir noch einmal ein“, sagte er tonlos. „Und bleiben Sie bitte hier bei mir. Ich will heute nicht allein sein. Wenn man einsam ist, kommt man nur auf traurige Gedanken.“
„An mir soll es nicht fehlen“, kicherte Ann Barnet und hantierte geschäftstüchtig mit Flaschen und Gläsern. „Von mir aus können Sie bis zur Sperrstunde hier sitzenbleiben. Dann muß ich nicht allein nach Hause gehen. Ich nehme jetzt schon dankend Ihre Begleitung an.“
Clark Digby schielte schräg an ihr vorbei. Er hatte sich früher nie viel aus Frauen gemacht. Er war gewöhnt, daß man ihn mitleidig belächelte und verspottete. Auch Ann Barnet hatte es wahrscheinlich nur auf sein Geld abgesehen. Aber nun sah er sie doch plötzlich mit anderen Augen an. Sie war hübsch und rassig und besaß eine ansehnliche Brustweite. Und wenn ihr Lächeln vielleicht auch käuflich war, so bot es ihm doch Trost und Entspannung in diesen dunklen Stunden. Er blieb stur auf seinem Hocker sitzen und leerte Glas um Glas. Dabei merkte er kaum, wie die
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