Achtung BABY!
Hängebauchschweinchen kann mit drei Monaten alles, was es im Leben braucht und was seine Bestimmung ist: im Dreck rumwühlen, fressen und saufen, wie ein BILD-Zeitungs-Reporter. Babys können nur: schreien. Das habe ich als Vater mittlerweile verstanden. Als Kinderloser hatte ich mich gefragt, warum werden Kinder eigentlich mit Stimmbändern geboren? Heute frage ich mich, warum sind bei Babysdie Stimmbänder eigentlich so perfekt ausgebildet? So ein Baby kommt auf die Welt, alles an ihm ist ganz klein, zart, filigran und zerbrechlich, aber die Stimmbänder haben eine Konsistenz wie Schiffstaue. Die Lautstärke kriegst du als Erwachsener gar nicht hin. So ein kleiner Wurm kann so laut schreien, wie ein Elefant tröten kann. Gut, dass uns der Nestbautrieb zum Umzug angetrieben hat. Das neue Haus hat hohe Decken und alles ist offen zur Galerie, sodass im Wohnzimmer die neue Stereoanlage und die neuen Mörderboxen genutzt werden und klangtechnisch voll zur Geltung kommen können. Leider auch das Kind! Warum haben Babys überentwickelte Stimmbänder? Die können ja eh noch nicht sprechen. Eigentlich wäre es viel besser, wenn Babys in der ersten Zeit nur ganz leise Laute von sich geben könnten, »quäk quäk quäk«. Und mit zwei Jahren dann irgendwann »meep«. Würde reichen. Oder gleich ab Geburt sprechen können, damit sie sofort in den Dialog mit ihren Eltern treten können. Das Baby kommt raus: »Hallo, servus beieinander!«
»Och, guck mal, da ist sie!«
»Was habt ihr denn erwartet? Jesus? Den Milchmann?«
»Unvorstellbar, dass sie gerade eben noch im Bauch war.«
»War ich gar nicht. Die ganze Aktion hier: ein Fake!«
»Aber wir waren doch schwanger mit dir.«
»Das waren Aufblähmedikamente, über Monate vom Frauenarzt verabreicht.«
»Wie?«
»Ihr lebt in einer Baby-Matrix. Das ist eine große Verschwörung. Kinder werden nicht von der dicken Frau gebracht, sondern in Labors gezüchtet und dann bei der sogenannten Geburt in einem unachtsamen Moment – zack – auf den Bauch der Mutter gelegt. Das nennt man auch die Copperfield-Methode.«
Wenn Babys sprechen könnten, würde das sicher in den ersten Wochen nerven: »Scheiße, ist das kalt hier … Oh, habe ich einen Hunger, kann mir jemand was zu essen machen? … Wer wischt mir den Hintern? … Was lächelst du mich so dämlich an? … Die Tante riecht so komisch!«
Lillys extreme Schreiphasen dauerten von der dritten Woche bis zum dritten Monat. Wir wussten oft nicht, warum sie gerade schreit. Du checkst die Basics: Hunger, Durst, kalt, müde, nasse Windel, Pupsbauch, Schmerzeinwirkung von außen? Wenn du nichts findest, beginnt das Beruhigungsrumtragen in der Wohnung. Hat ja bei den Naturvölkern auch seit Jahrtausenden funktioniert. Die Babys eng am Körper herumtragen, um Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln. Natürlich kann man die Kleinen auf Dauer nicht nur selbst auf Händen tragen. Auch vier oder fünf Kilo werden mit der Zeit schwer, und außerdem braucht man ja die eine oder andere Hand für die eine oder andere Tätigkeit, zum Beispiel Essen machen und aufessen, aufräumen etc. Dafür hat der Gott der Naturvölker die Tragehilfe erfunden. Und genau da scheiden sich die weiblichen und männlichen Geister: Tragetuch oder Babybjörn (ausgeklügelte Tragevorrichtung, vorne und hinten zu verwenden)? Das ist wie die Wahl der Waffen: Steinschleuder oder eine 48er-Magnum. Und Dirty Harry hätte sich nicht für einen Kieselwerfer entschieden. Also hat Dirty Michl einen Babybjörn besorgt. Gudrun sagte, mit dem Tragetuch, das wäre viel schöner und einfacher. Nein. Gut, ich ließ mir die prähistorische Variante zumindest erklären und zeigen. Ich stand da mit diesem in bunten Inkafarben gehaltenen Peru-Poncho-Ersatz und überlegte mir, wenn ich mir jetzt eine Panflöte zulege, könnte ich in der Fußgängerzone gutes Geld verdienen. Aber Lilly war kurz davor zu ersticken, weil ich das Tuch zum wiederholten Male zu eng geschlungen hatte. Ich bin beim Babybjörn geblieben. A man has to do what a man has got to do!
Aber auch das half nicht immer. Auf Empfehlung unserer Stillberaterin haben wir dann über zwei Wochen ein Schreitagebuch geführt. Einfach mal konkret schauen, ob sie mehr als andere Kinder schreit. Wir kamen an manchen Tagen auf Spitzen von fast sieben Stunden Schreien – und zwar pures Schreien, das Jammern oder Rumnölen nicht mitgezählt. Ja, das war eine Schreizeit, die so manchen von der Konkurrenz blass
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