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Achtung BABY!

Titel: Achtung BABY! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Mittermeier
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ist nach zwei Stunden schlaferzeugenden Ritualen eingeschlafen. Es nuckelt im Schlaf am Schnuller. Du liegst daneben, guckst es an, und du siehst es kommen. Der Mund entspannt sich immer mehr, bald wird nicht mehr genügend Kieferdruck auf den Nuckel ausgeübt, und er wird herausfallen. Einundzwanzig, zweiundzwanzig – dim …
    »Wuäääääääääääh!«
    Babys wachen von dem Geräusch des auf die Matratze fallenden Schnullers auf. Kein Scheiß! Und zwar sofort in derZehntelsekunde, in der der Schnuller sanft auf das Bett auftrifft – dim. Zur Ehrenrettung der Natur muss ich noch anfügen, dass sie sich für Eltern was einfallen hat lassen. Das Gehör frischgebackener Eltern macht eine kleine Veränderung durch. Es scheint, dass sich die Baby-Eltern-Ohren innerhalb von zwei Tagen hypersensibilisieren. Ich habe 42 Jahre mit der Meinung gelebt, dass meine Ohren Geräusche jenseits der Akustik nicht wahrnehmen können. Überraschung! Du liegst da im Halbschlaf neben deiner Tochter, dann siehst du, dass der Schnuller sich in Zeitlupe Mikromillimeter für Mikromillimeter weiter aus dem Mund rausbewegt; und wenn er dann aus Schwerkraftgründen fällt – woommm –, weißt du nicht, wo dieses Geräusch eigentlich herkommt. Der Aufschlag klingt, als ob es ein 100-Kilo-Schnuller eines fetten Babyzyklopen wäre (übrigens: auch bei Zyklopen gibt es Arschlochkinder. Fragt mal Odysseus). Woommm – wie kann man den Schnuller-Klang am treffendsten beschreiben? Vielleicht wie dumpfe Trommeln im Dschungel, die von einem sehr muskulösen einarmigen Eingeborenen geschlagen werden, der ziemlich sauer auf Tarzan ist, weil er eine weiße Safarigesellschaft in ihr Gebiet geführt hat – doommm. Der Dschungel und das Baby erwachen. Alert! Alarm! Ich stecke den Schnuller wieder in ihren Mund – der Sturm ist vorbei. Wenn ein Vater sein Kind still kriegt, ist das wie eine gewaltige Heldentat, da rennt man rum wie nach einer gewonnenen Fußballmeisterschaft: »Ich bin gut! Ich bin der Beste! Olé, olé, super Papa! Wer will sich mit mir messen?«
    Ich fühlte mich wie in einer griechischen Heldensaga, als direkter Nachfahre von Herkules und Odysseus. Nur war ich in der Realität nur Sisyphus, denn ich hatte nur ein paar Minuten Zeit gewonnen. An einem Tag, an dem Lilly besonders laut und intensiv geschrien hatte, fragte mich Gudrun verblüfft, wie ich denn das gemacht hätte, dass sie nun still ist?
    »Ich habe 334 Mal den Schnuller wieder reingesteckt.«
    Mit echter Kreativität hat das nichts zu tun, aber als Vater wirst du in vielen Momenten zum Pragmatiker. Im Nachhinein habe ich mich manchmal gefragt, ob es doch besser gewesen wäre,wenn wir unsere Tochter nie der Droge Schnuller ausgesetzt hätten. Ich muss nämlich zugeben, sie ist mittlerweile seit langer Zeit abhängig. Aber sie ist eher eine Quartalsschnullerin. Sie braucht den Schnuller nicht immer, sie kann auch tagsüber stundenlang ohne auskommen. Aber kaum ist sie ein bisschen gestresst, oder hingefallen, müde oder Ähnliches, da könnte ich alles machen, was ich wollte, keine Tat der Welt könnte das »dunk« des Schnullers ersetzen. Da habe ich auch begriffen, warum sie auch »Beruhigungssauger« oder »Peacemaker« genannt werden. Vielleicht sollte ich da mal eine eigene Marke auf den Markt bringen: »Peacesucker«. Mit dem schönen Werbespruch: »If you wanna have peace – suck!«
    Oder noch einfacher: »Peace sucks!«
    Seit wir Lilly zum Schlafen in ihr eigenes Zimmer bringen, braucht sie den Schnuller zum Einschlafen wie ein Pfarrer den Weihrauch zum Fliegen. Aber es reicht leider nicht ein einziger Schnuller mit einem Ersatzschnuller danebenliegend. Wenn wir Lilly hinlegen, müssen wir in einem Halbkreis um ihren Oberarmbewegungsradius zwölf Schnuller drapieren. Wir nennen sie immer »Das dreckige Dutzend«. Und sie wechselt die alle durch. Wie ein kleiner Kautschuk-Junkie spuckt sie einen aus, schiebt den nächsten in den Mund, dann wird der wieder ausgespuckt, und der nächste kommt rein … Ich weiß nicht, wie oft sie dieses Spiel in der Nacht wiederholt. Ich wollte schon mal eine Nachtkamera in ihrem Zimmer installieren, um mehr über diese Form der Schnullerabhängigkeit zu erfahren. Aber da ich politisch links stehe, ehre ich noch die Unverletzlichkeit der Privatsphäre. Ich bin gegen den Großen Blickangriff. Das Schnuller-wechsle-dich-Spiel endet jedenfalls jeden Morgen folgendermaßen: Lilly wacht auf, man hört über das Babyfon knacksen und

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