Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
geschrieben. Es gibt mehrere plausibel erscheinende Denkzugänge zu diesem Problem. Drei verschiedene Verführungsversuche sollen erwähnt sein.
Erstens: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3 hat der Kandidat mit Tür 1 die Autotür gewählt, und mit der verbleibenden Wahrscheinlichkeit von 2/3 ist das Auto hinter einer der anderen beiden Türen. Wenn nun eine dieser beiden Türen durch anschließendes Öffnen als Autotür ausfällt, oben ist es Tür 3, so muss hinter der anderen Tür, also Tür 2, mit Wahrscheinlichkeit 2/3 das Auto stehen, da die gesamte Wahrscheinlichkeit von 2/3 nun allein für Tür 2 verbleibt. Somit erhöhe ich meine Gewinnwahrscheinlichkeit für das Auto von 1/3 auf 2/3, wenn ich von Tür 1 zu Tür 2 wechsele. Ein Wechsel beschert mir eine Verdoppelung der Gewinnwahrscheinlichkeit.
Zweitens: Wenn der Moderator eine Ziegentür öffnet, verbleiben 2 Türen, eine mit einer Ziege und eine mit einem Auto. Aus Symmetriegründen steigt für beide verbleibenden Türen dieWahrscheinlichkeit, Autotür zu sein, auf 1/2. Deshalb kann man wechseln, muss es aber nicht. In beiden Fällen beträgt die Gewinnwahrscheinlichkeit 1/2.
Drittens: Unabhängig davon, welche Tür der Kandidat zuerst wählt, kann der Moderator immer eine Ziegentür öffnen. Somit wird durch das Öffnen einer Ziegentür seitens des Moderators dem Kandidaten keine Information zuteil. Deshalb bleibt auch die Gewinnwahrscheinlichkeit dieselbe, ob er wechselt oder nicht. Sie beträgt in beiden Fällen 1/3 für den Gewinn des Autos.
Drei einleuchtende, ja überzeugende Sinnbausteine sind das. Und alle passen scheinbar wie angegossen. Leider aber münden sie in verschiedene Lösungen. Eine Kalamität. Irgendwo ist uns die Logik verrutscht. Wie orientieren wir uns in diesem logischen Durcheinander? Triumphiert das Komplexitätsknäuel oder wir?
Sind Paradoxien die besseren Unterhalter?
Zwar wurde noch keine Religion aus der Frage gemacht, ob man beim Ziegenproblem wechseln soll oder nicht, doch gibt es zwischen beiden Lagern einen handfesten Glaubenskrieg. Marilyn vos Savant hatte in ihrer Kolumne als Antwort auf Craig Whitaker die richtige, aber kontraintuitive Lösung dieses Problems veröffentlicht. Dann geschah Folgendes: Die Lösung löste eine heftige Kontroverse aus. Etwa zehntausend Zuschriften mit Kommentaren zum Lösungsweg gingen bei der Zeitschrift ein. Auch in anderen Medien stieß das Thema auf lawinenartig anschwellendes Interesse. Ich zitiere von Seite 1 der
New York Times
vom 21. Juli 1991: «Die Antwort, wonach der Mitspieler die Tür wechseln sollte, wurde in den Sitzungssälen der CIA und den Baracken der Golfkrieg-Piloten debattiert. Sie wurde von Mathematikern am Massachusetts Institute of Technology und von Programmierern am Los Alamos National Laboratory in New Mexico untersucht und in über tausend Schulklassen des Landes analysiert.»[ 13 ]
Weitaus die meisten Briefschreiber – darunter viele Mathematiker und andere Wissenschaftler – widersprachen der angegebenen Lösung, teils vehement. Mitunter gab es auch Häme und handfeste Beschimpfungen. «Unsere Mathematik-Fakultät gabein herzhaftes Lachen[ 14 ] auf Ihre Kosten von sich», schrieb Mary Jane Still, Professorin am Palm Beach Junior College. Robert Sachs, Professor für Mathematik an der George-Mason-Universität in Fairfax, Virginia, drückte ebenfalls die vorherrschende Meinung der Zuschriften aus, dass es keinen Grund gebe, die Tür zu wechseln und fügte noch hinzu: «Als professioneller Mathematiker bin ich sehr besorgt über den Mangel an mathematischen Fähigkeiten in der Bevölkerung. Helfen Sie dem bitte ab, indem Sie Ihren Fehler eingestehen und in Zukunft sorgfältiger sind.» So und so ähnlich schrieben Leute ihre engagierten Briefe mit somnambuler Sicherheit.
Die Kritik hielt an, trotz weiterer Kolumnen von Frau vos Savant, in denen sie ihre Lösung verteidigte und weiter erläuterte. «Sie haben einfach unrecht», schrieb Ray Bobo, ein Mathematikprofessor von der Georgetown University in Washington. «Wie viele zornige Mathematiker sind nötig, um Sie davon zu überzeugen, Ihren Standpunkt zu ändern.» Ein aufgebrachter Leser äußerte gar, Frau vos Savant sei die eigentliche Ziege bei diesem Problem. Man muss offenbar kein Prophet sein, um nichts zu gelten im eigenen Lande. Manchmal reicht es schon aus, wenn man mit einer kontroversen mathematischen Lösung aus der Deckung kommt.
Jemand anderes kam dem Streitwert näher, indem er
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