Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
Perspektive. Das lässt sich spielend erreichen durch abermalige Änderung der Bezugsgröße. Unsere Referenzgruppe besteht jetzt nicht mehr aus den Selbstmördern, sondern wir wählen als Bezugspopulation die Lebenden. Die nächste Grafik zeigt die Anzahl der Selbstmorde in den gegebenen Altersklassen unter je 100.000 Lebenden der jeweiligen Altersklasse.
Abbildung 53: Selbstmorde nach Altersklassen. Bezugspopulation: Gesamtbevölkerung
Und flugs stellt sich wieder eine pointierte Überschrift ein:
«Elendes Alter vergrößert Selbstmordneigung»
Die relative Anzahl der Selbstmorde nimmt erkennbar mit wachsendem Alter zu. Die Anzahl der Selbstmörder steigt kontinuierlich von den 10–19-Jährigen bis zu den über 90-Jährigen an. Während nur 3 von 100.000 Jugendlichen zwischen 10 und 19 Jahren ihrem Leben selbst ein Ende setzen, sind es in der Klasse der 40–49-Jährigen bereits 10 und in der Klasse der über90-Jährigen gibt es 20 Selbstmörder bezogen auf 100.000 Lebende der Altersklasse.
Jetzt ist die Konfusion komplett. Plötzlich können wir uns unserer Mittel nicht mehr sicher sein. Das sind drei Grafiken, die um dieselbe Fragestellung kreisen. Die Zahlen sind übrigens authentisch, die Grafiken sind stets richtig berechnet und erstellt. Sie beleuchten ein und dieselben Daten aus verschiedenen Blickwinkeln, arbeiten verschiedene Aspekte heraus. Alle drei sind nützlich, tragen zum Verständnis der Daten bei. Jedoch finden wir die Lage so vor, dass die Ergebnisse allesamt verschieden sind.
Kann man mit Statistik also doch alles beweisen?
Wirrwarr-Entwirrung.
Die vollständige Konfusion lässt sich durch den Hinweis entwirren, dass zwei der drei Analysen zu perspektivischen Verfälschungen führen und Antworten auf andere als die von uns verfolgte Fragestellung liefern. Was die Datenanalyse betrifft, gibt es Haupt- und Nebensächliches.
Welche Grafik ist für die im Raum stehende Fragestellung die angemessene und welche Grafiken führen zu Verzerrungen der Sichtweise? Man kommt dem Kern der Sache näher, wenn man Folgendes bedenkt:
Junge Menschen sterben vergleichsweise selten, und sollten sie sterben, dann nicht an Altersschwäche, so gut wie nie an Herzinfarkt und kaum an Krebs. In der überwiegenden Mehrheit sind bei ihnen Unfälle und eben Selbstmorde die Todesursache. Bei den 15–39-Jährigen sind Selbstmorde für mehr als 20 Prozent der wenigen Todesfälle verantwortlich.
Bei den Menschen über 60 ist das ganz anders. Sie sterben in signifikanter Zahl an Altersschwäche, Krebs, Herzinfarkt und Gehirnschlag. Der relative Anteil der Selbstmörder beträgt nur rund 2 Prozent und ist somit prozentual gering. Wenn man also als Bezugsgröße die Todesfälle der gleichen Altersklasse wählt, so sterben junge Menschen tatsächlich relativ öfter an Selbstmord.
Prozentiges & Brüchiges
Es gibt Umfragen, denen zufolge 1/3 der Deutschen nicht wissen, was 40 % bedeutet.
Kann es auch sein, dass gar 40 % der Deutschen nicht wissen, was 1/3 bedeutet?
Das waren einige Vorüberlegungen zum Versuch, die für eine seriöse Beantwortung der Frage relevante Grafik ausfindig zu machen. Die der Intention der Studie – ein Vergleich der Selbstmordhäufigkeiten in den verschiedenen Altersklassen – am besten gerecht werdende Bezugsgröße ist die Population von 100.000 Lebenden der gleichen Altersklasse. Das ist die Grafik 53. Was mit Blick auf diese Zielsetzung für verschiedene Altersklassen verglichen werden muss, ist die Anzahl der jährlichen Selbstmorde pro 100.000 Lebender der gleichen Altersklasse. Da der Anteil der verschiedenen Altersklassen an der Gesamtbevölkerung unterschiedlich groß ist, denn es gibt ja mehr Menschen zwischen 10 und 20 Jahren als zwischen 90 und 100 Jahren, und da dieser Aspekt in den Grafiken 51 und 52 nicht in die Überlegung einbezogen wurde, wird auch bei diesen Datenaufbereitungen der Basisraten-Irrtum begangen. Dadurch werden in beiden Fällen irreführende Resultate erzielt.
Als bemerkenswertes Postskriptum sei noch dies erwähnt: Wird die Untersuchung allein auf Frauen eingeschränkt, sind interessanterweise alle Werte wesentlich geringer. Die Kurven zeigen mit zunehmendem Alter zwar einen ganz ähnlichen Verlauf, aber eben auf geringerem Niveau. Frauen begehen in allen Altersklassen weniger häufig Selbstmord als Männer.
Mit ähnlichen Basisraten-Fehlschlüssen wie den obigen kann man auch zu dem Ergebnis gelangen, dass Krankenhäuser für Leib und Leben
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