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Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut

Titel: Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ins Verhältnis gesetzt werden. So erhalten wir die Antwort auf die erste gestellte Frage, die uns ja auffordert, die Information in der Zeugenaussage zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der Zeugenaussage ist also die Wahrscheinlichkeit, dass das Unfall-Taxi blau war, gegeben durch

    Dass es grün war, ist entsprechend

    Als Antwort auf die erste Frage ergibt sich nicht die zunächst erwartete, sondern sie lautet: Die Wahrscheinlichkeit liegt bei nur 41 %, dass das Unfall-Taxi tatsächlich blau war, obwohl der Zeuge gerade dies doch ausgesagt hatte. Die Restwahrscheinlichkeit ist größer. Am wahrscheinlichsten ist es somit, dass ein grünes Taxi in den Unfall verwickelt war. Statt eines Baumdiagramms hätte man bei dieser Rechnung auch das Bayes-Theorem zurate ziehen können.
    Sollten Sie aber eine Abneigung gegen Kalkulationskreationen mit Wahrscheinlichkeiten hegen, können Sie diese auch umgehen und das mit ihnen Errechnete auf eine andere Art und Weise erhalten. Dazu dient uns ein anderes Diagramm:

    Abbildung 49: Baumdiagramm zum Taxi-Beispiel, Rechnung mit Häufigkeiten
    Bei dieser Zu-Fuß-Methode gehen Sie einfach von den 200 in der Stadt verkehrenden Taxis aus. Von diesen sind nur 30 Taxis blau – eben 15 % – und 170 sind grün. Wir beziehen die Zeugenaussage wie folgt ein: Von den 30 blauen Taxis würden vom Zeugen nur 24 – eben 80 % – bei Nacht richtig als blau identifiziert, während umgekehrt von den grünen Taxis 34 – eben 20 % – fälschlich als blau eingestuft würden. Der mit dieser Erkenntnis erreichte Zustand ist ein Interim kurz vor dem Ziel. Es würden somit 24 + 34 = 58 Taxis vom Zeugen bei Nacht als blau eingestuft. Davon sind aber, wie vermerkt, nur 24 tatsächlich blau. Hier angelangt, gibt der Quotient 24/58 = 0,41 die Wahrscheinlichkeit an, dass das vom Zeugen als blau eingestufte Unfall-Taxi tatsächlich blau ist.
    Das war keine Höchstschwierigkeit. Diesen Wert hatten wir auch zuvor schon komplizierter mit Wahrscheinlichkeiten errechnet. Aber der gewaltfreie, wahrscheinlichkeitslose Ansatz hatdas Moment der viel größeren Durchschlagskraft auf seiner Seite. Der schwungvolle Kunstgriff, statt mit bedingten Wahrscheinlichkeiten mit absoluten Anzahlen zu rechnen, brilliert durch eine bemerkenswerte Liaison von Einfachheit und Wirkung.
    Paradoxiewerdung.
Nachdem wir diesen Punkt im Trockenen haben, und es ist ein Bigpoint, scheint die Handlungsempfehlung an den ermittelnden Polizisten eindeutig. Würden Sie ihm etwa nicht nahelegen, zuerst die grünen Taxis der Reihe nach auf Unfallschäden zu untersuchen? Denn immerhin beziffert sich die Wahrscheinlichkeit doch auf solide 59 %, dass das gesuchte Taxi grün ist. Das ist eine Mehrheit. Dieser Ratschlag ist zwar intuitiv nachvollziehbar und naheliegend, doch gleichermaßen auch ziemlich unschlau. Sorry, wenn ich zu diesem Wort greife, aber ich bringe hier etwas adjektivische Brutalität ins Spiel, um Sie schneller aus der Reserve zu locken.
    Warum aber ist dieser Ratschlag nicht ratsam? Es scheint doch mehr als plausibel, zuerst die grünen Taxis zu inspizieren, wenn das Unfall-Taxi höchstwahrscheinlich grün ist. Doch ich würde trotzdem empfehlen, zuerst die blauen Taxis der Reihe nach zu untersuchen.
    Schrödern
    Wir streichen die Wand da blau, es kann aber notwendig sein, dass wir grüne Farbe dafür nehmen müssen.
    Von Kabarettist Volker Pispers Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Mund gelegt.
    Auf den ersten Blick erscheint diese Empfehlung wie der Ratschlag an einen Betrunkenen, der des Nachts seinen Schlüssel verloren hat, er solle ihn unter der Straßenlaterne suchen – nicht weil er ihn dort verloren hat, sondern weil er dort etwas sieht. Unser Taxi-Beispiel ist aber doch etwas anders strukturiert. Wieder spielt die Basisrate hinein, in Form der Tatsache,dass es nur 30 blaue Taxis gibt. Dieses Faktum ist geeignet, uns den zweiten Teil einer doppelt kontraintuitiven Wahrheit plausibel zu machen, denn die errechnete Wahrscheinlichkeit von 41 %, dass das Unfall-Taxi blau ist, entfällt auf nur 30 blaue Taxis. Ist das gesagt, kostet es keine Mühe, den Gedankengang abzuschließen. Es bedeutet: Jedes blaue Taxi hat eine Wahrscheinlichkeit von 41 %, geteilt durch 30, also von 1,4 %, in den Unfall verwickelt zu sein. Während jedes einzelne der insgesamt 170 grünen Taxis der Stadt nur mit der weitaus geringeren Wahrscheinlichkeit von 59 %, geteilt durch 170, also mit 0,35 %, das gesuchte Taxi ist.

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