Achtung Denkfalle! - die erstaunlichsten Alltagsirrtümer und wie man sie durchschaut
nicht ungefährlich sind, denn nach Statistiken sterben mehr als die Hälfte der Bundesbürger in Krankenhäusern. Oder dass zu viel Freizeit die Menschen auf kriminelle Gedanken bringt, denn die überwiegende Mehrzahl aller Diebstähle,Raubdelikte und anderer Vergehen findet außerhalb der regulären Arbeitszeit der Täter statt.
Fact Box
39 % aller Arbeitslosen tragen eine Brille.
81 % aller Arbeitenden tragen eine Brille.
Ergo: Arbeit ist schlecht für die Augen!
Um statistisch seriöse Ursache-Wirkungs-Aussagen mit Daten zu stützen, sollte als bedingendes Ereignis, also als Voraussetzung, die Ursache (im Selbstmord-Beispiel: das Lebensalter, sortiert nach Altersklassen) und als bedingtes Ereignis die Wirkung (im obigen Beispiel: Selbstmord) gewählt werden. Dann lassen sich die bedingten Wahrscheinlichkeiten bzw. relativen Anteile für verschiedene Voraussetzungen (also für verschiedene Altersklassen) seriös miteinander vergleichen und man gelangt auf diese Weise zu einer quantitativen Bewertung der verschiedenen Bedingungen. Die umgekehrten bedingten Wahrscheinlichkeiten oder relativen Anteile (also die Anteile der Selbstmorde, die auf verschiedene Altersklassen entfallen) liefern über den hier interessierenden Ursache-Wirkungs-Zusammenhang keine Aufschlüsse.
Wir wollen dieses Thema mit weiteren Beispielen zur Basisraten-Thematik abschließen:
Einstiegsdroge Milch?
Es ist bekannt, dass die überwiegende Mehrheit der Heroinabhängigen vorher schon Cannabis konsumiert hat. Selbst von einigen Experten wird daraus bisweilen der Schluss gezogen, dass Cannabis eine Einstiegsdroge für Heroin sei und dass die Mehrzahl der Cannabis-Konsumenten schließlich auch zum Heroin greifen werde. Doch das ist abermals eine Version des Basisraten-Irrtums. Um herauszuarbeiten, warum er hier vorliegt, ist das folgende Schaubild aufschlussreich.
Abbildung 54: Cannabis-Konsumenten C und Heroin-Konsumenten H als Mengen schematisch dargestellt
Der große und der kleine Kreis veranschaulichen die Gruppe der Cannabis- und der Heroin-Konsumenten, C bzw. H. Die Mengen überschneiden sich. Doch es ist in Wirklichkeit nicht etwa so, dass die Mehrzahl der Cannabis-Konsumenten irgendwann zum Heroin greift. Durch unsere früheren Überlegungen sensibilisiert, bemerken wir sofort: Aus der richtigen Aussage
«Die Mehrzahl der Heroin-Konsumenten waren früher Cannabis-Verbraucher»
folgt im Umkehrschluss nicht etwa
«Die Mehrzahl der Cannabis-Konsumenten werden später Heroin-Verbraucher sein».
Dieser Schluss ist ungültig, wie wir nun bereits mehrfach thematisiert haben. Auch ein Vergleich der entsprechenden Mengen und Überlappungen in Abbildung 54 hilft, dies zu verstehen. Um den Fehlschluss-Charakter dieser Implikation ins Kuriose zu steigern und damit ganz augenfällig zu machen, kann man sich auch folgendermaßen ausdrücken: Die meisten Heroin-Abhängigen haben zuvor in ihrem Leben Milch getrunken. Doch daraus zu schließen, dass die meisten Milchtrinker irgendwann heroinsüchtig werden, ist ein intellektueller Rohrkrepierer. WollenSie das Ganze noch auf eine absurde Spitze treiben, können Sie hier gerne «Milch» durch «Wasser» ersetzen und «Milchtrinker» durch «Wassertrinker». Dann ist der Unsinn eklatant und unzurückweisbar.
Gerichtsbericht.
Im Jahr 1994 stand der amerikanische Football-Star O. J. Simpson wegen Mordes an seiner Frau und deren Freund vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft brachte als belastendes Indiz unter anderem vor, dass Simpson seine Frau nachweislich geschlagen und vergewaltigt habe. Einer der Verteidiger Simpsons, der Harvard-Professor Alan Dershowitz, beantragte, dass dieses Indiz im Prozess nicht zugelassen werde. Zur Begründung seines Antrags argumentierte er so: «Die Wahrheit ist, dass eine Mehrzahl der Frauen, die umgebracht werden, von Männern umgebracht werden, mit denen sie eine Beziehung haben. Aber nur ein Zehntel von einem Prozent der Männer, die ihre Frauen schlagen, bringen sie schließlich auch um.» Anwalt Dershowitz meint also, dass diese Zahl von 0,1 % die auch auf O.J.Simpson zutreffende Wahrscheinlichkeit sei, dass er seine Frau umgebracht habe.
Der Statistik-Professor Irving J.Good schrieb daraufhin einen Beitrag für das Wissenschaftsmagazin
Nature
[ 26 ] und legte dar, dass dies im Simpson-Fall nicht die prozessrelevante Denkrichtung sei. Es gehe nicht, wie Dershowitz argumentiert habe, um die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass ein Ehemann seine Frau
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