Achtung: Die "Monsters" kommen!
Falle gestellt.
„Immer schön ehrlich!“ kreischte er und
riß ihm einen Hunderter aus der Hand. „Ehrlichkeit und Sauberkeit — das gehört
zu unseren Grundsätzen. Kameradendiebstahl gibt’s bei uns nicht.“
„’tschuldigung“, krächzte Bömmelein.
„Ich dachte, es wären 150 DM. Die... die... Fünfziger sehen ja den Hundertern
so ähnlich, nicht wahr? Alles aus Papier.“
Er erhielt seinen Fünfziger, und am
Ende der Reihe stand der Boss mit 300 Mark da.
„Zwei fehlen. Wer fehlt?“
Stille.
Sumpfsohn hörte, wie hinten in der Ecke
Metallstufen stöhnten, als wären sie wegen Rostfraß nicht mehr belastbar. Dort
hinten führte eine Wendeltreppe zum Keller hinunter. Und wieder stöhnte eine
Stufe.
Sumpfsohn sah nicht hin. Ihm grauste
vor Ratten. Waren die schon so fett geworden, daß unter ihren Pfoten die Treppe
ächzte?
„Ich bin da“, sagte ein Scherzbold.
„Ja, wer fehlt? Ich glaube, Bruno und Jo. Klar, die sind’s.“
„Wer weiß, wo sie sind?“ Man merkte dem
Boss an, daß er sich um eine tiefere und männlichere Stimme bemühte. Vielleicht
klang sie so, wenn er 40 Grad Fieber hatte und schmerzhaften Husten.
„Sie wollten in den Fuchsbau“,
erwiderte der Spaßvogel. „Und einen zischen. Vielleicht sind’s zehn Bierchen
geworden, und die beiden liegen jetzt unter dem Tisch.“
Der Boss machte eine Bewegung, als
mißbillige er diese Möglichkeit aufs Schärfste, und steckte das Geld wieder
ein.
„Ihr könnt gehen. Den nächsten Einsatz
gebe ich rechtzeitig bekannt. Gute Nacht, Leute!“
„Gute Nacht, Boss!“ antworteten die
Monsters im Chor. Dann trollten sie sich zu ihren Fahrzeugen.
Sumpfsohn fragte Ali und Hasan, ob er
mit ihnen fahren könnte — zur Innenstadt. Die beiden hatten nichts dagegen. Im
Wagen nahmen alle ihre Masken ab. Sumpfsohn schneuzte sich ins Taschentuch.
Er wußte, daß weder Ali noch Hasan
einen echten Führerschein hatte. Was bei Ali, dem Fahrzeug-Lenker, in der
Brieftasche steckte, war ein gefälschtes Dokument. Die beiden Perser kannten
sich zwar aus, was die Verkehrsregeln betraf — und die meisten Verkehrszeichen
sagten ihnen was. Aber bestanden hätten Ali und Hasan die Führerscheinprüfung
nie. Sie konnten nämlich kein deutsches Wort lesen. Ihre Sprachkenntnisse
reichten zum Radebrechen. Und natürlich zum Zocken, denn Spielkarten sind
international.
Während die drei — und auch die andern
— stadteinwärts fuhren, unterhielten sie sich über Fußball, über Mädchen und
heiße Öfen. Über ihren seltsamen Boss redeten sie schon lange nicht mehr. Alle
Mutmaßungen, wer das sein könnte, hatten sich längst erschöpft. Und keiner der
Monsters dachte darüber nach, wieso man sich gerade in der ehemaligen
Chemie-Fabrik traf — immer wieder in der ehemaligen Chemie-Fabrik des
verstorbenen Leopold Rasmus Kneck.
*
Er wartete, bis alle abfuhren,
verharrte auf dem staubigen Betonboden der Halle. Unter der Satansmaske war es
heiß. Außerdem roch sie scheußlich. Ihm taten die Füße weh. Nachher, das
beschloß er, würde er ein heißes Fußbad nehmen und die Füße einpudern. Diese
verdammten Hühneraugen! Und überhaupt — er hatte wieder zwei Kilo zugenommen.
Mama würde schimpfen, wenn sie das merkte.
Der Boss wandte den Kopf.
Knackte dort hinten eine Stufe? Die
Wendeltreppe! Mistding, verrostetes! Bald würde es einstürzen.
Und wieder jammerte eine Stufe unter
offensichtlich schwerem Gewicht. War da ein Schatten?
Der Boss aller Monster zog es vor,
nicht so genau hinzusehen. Jetzt, ganz allein, hatte er nur noch für fünf
Pfennig Mut. Hastig watschelte er zum Nebeneingang, durch den er ins Freie
stieß wie ein Flüchtender.
Er kannte hier jeden Fußbreit Boden,
hatte schon als Kind in diese oder jene Ecke gepieselt, verbotenerweise. Er
eilte zu einem Gebäude, von dort zum nächsten, von dort zu einer Pforte auf der
Rückseite des Geländes.
Außer Ratten war hier kein Lebewesen.
Er konnte es wagen, sich die Maske vom Kopf zu zerren. Auch den Umhang streifte
er ab, und er hing jetzt, wie ein linksgewendeter Wintermantel, über dem linken
Unterarm.
Der Boss aller Monster hatte sich
zurückverwandelt in Friedemann Kneck, den einzigen Sohn des legendären
Chemie-Fabrikanten Leopold Rasmus Kneck.
Vier Straßen entfernt, in einer Gasse
zwischen Rückmauern, wartete der burgunderrote Rolls Royce.
Der Wagen hatte ungefähr 200 000 Mark
gekostet; und Friedemann fuhr ihn gern — allerdings nie schneller als 58
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