Achtung, Gutmenschen!: Warum sie uns nerven. Womit sie uns quälen. Wie wir sie loswerden.
hören kann oder damit Flutopfer Decken bekommen. Und sie sind gern beim «Einsatz für die Schwachen» dabei, sofern sie nicht selbst mit anpacken müssen. Es soll mehr so Gala- und Festival-Charakter haben.
So besuchen sie das «Cinema for Peace»-Festival, obwohl sie sich bei den Filmen langweilen, anschließend die «Gala für notleidende Kinder», wenngleich die holprigen Darbietungen in die Kategorie «gut gemeint» fallen. Sie lauschen einer scheußlichen Lesung, die der Schaffung einer Obdachlosen-Begegnungsstätte dienen soll. Sie verzehren ein Menü, das die «Armenkasse» serviert, obwohl es den Gaumen beleidigt. Aber all das dient ja auch nicht dem vordergründigen sinnlichen Genuss, sondern einem viel höheren Zweck: der Reinigung des eigenen Gewissens und dem Eintritt in die Gruppe der Guten.
Den Spendern von Beifall und Geld wird es vermutlich nicht gelingen, von der Queen zum «Ritter im Kampf gegen die Armut» ernannt zu werden, wie es Bob Geldof und Paul Hewson alias Bono vergönnt war. Aber sie können ihre Gutheit beweisen, indem sie solchen Helden folgen. Und wenn sie dann noch einen Ball zugunsten der Muskelschwundhilfe besuchen, ein Sternsingen für die Dritte Welt ertragen und sich beim Einkaufen einem vorbeischlurfenden Bettlermarsch anschließen, wenigstens bis zum nächsten Laden – dann ist das Konto auf der Habenseite bis zum Platzen mit Gutpunkten gefüllt. Dann können sie sich fortan jede Menge Scheußlichkeiten im Alltag erlauben. Dann können sie Bettlern die Tür weisen, verhaltensoriginelle Migranten-Jugendliche anzeigen oder sich breit auf einen Behindertenparkplatz stellen – an ihrer grundsätzlichen Gutheit ist nichts mehr zu ändern.
Bosheiten für Gutmenschen
Aufgeklärte Mitteleuropäer kaufen ungern Dinge – Schmuck, Möbel, Teppiche –, die durch Kinderarbeit entstanden sind. Das ist vielen arbeitenden Kindern unangenehm aufgefallen. Sie wenden sich jetzt gegen das europäische Gutmenschentum in der «Bewegung arbeitender Kinder und Jugendlicher». Sie möchten arbeiten, und sie möchten verkaufen. Wie viele Millionen Kinder, vor allem in Entwicklungsländern, ihren Eltern helfen und Geld zur Familienkasse beisteuern, weiß niemand genau. Vermutlich um die zweihundert Millionen. Sie putzen Schuhe, knüpfen Teppiche, basteln Schmuck, helfen bei der Reisernte, bieten als Straßenverkäufer Blumen, Eis und Souvenirs an. Sie gehen zur Schule – aber oft nur deshalb, weil sie selbst das Geld dafür verdienen. Ein Verbot der Kinderarbeit, ermittelte jetzt die Unesco, würde den Kindern nur schaden, weil ihr Handeln damit kriminalisiert werden würde. Deshalb soll ein Gesetz aus den siebziger Jahren gekippt werden, mit dem die Internationale Arbeitsorganisation ILO Kindern unter 15 Jahren das Arbeiten verbietet. Auch Kinder, stellt nun ein Unesco-Ausschuss fest, hätten ein Recht zu arbeiten. Und was heißt das für Gutmenschen? Dass sie jetzt Produkte aus Kinderarbeit kaufen sollen? Ja, genau. Das Leben wird immer schwieriger.
Das gemeine Geschenk
Das 2-DVD-DigiPack Geldof in Africa . Eine BBC-Dokumentation über Wohltätigkeitsmusikus Bob Geldof auf Reisen. Geldof fährt in sechs Folgen durch Afrika, «um die durchschnittlichen Afrikaner zu verstehen und durch ihre erzählten Erlebnisse auch die Kräfte zu verstehen, die diesen Kontinent so schwierig machen». Geballtes Gutmenschentum, ab sechs Jahren freigegeben, nur für ganz toughe Gütlinge erträglich.
Böse Sprüche
«Der Gegensatz von Kunst ist nicht Natur, sondern ‹gut gemeint›.» Gottfried Benn, Dichter
«Die Welt ist wie Brei. Zieht man den Löffel heraus, gleich klappt die Geschichte wieder zusammen, als ob nichts passiert wäre.» Wilhelm Busch, Dichter
«Das Gesetz der Geschichte lautet: Steh auf, damit ich mich setzen kann.» Charles de Talleyrand, Diplomat
«Die Bewohner der wohlhabenden Nationen schlafwandeln im unpolitischen Pazifismus.» Peter Sloterdijk, Philosoph
8. Sie machen alles wieder gut
Gute Menschen sehnen sich nach Reinheit. Sie möchten, dass ihr Gewissen rein ist – oder dass es zumindest anderen rein erscheint. Und sie möchten, dass ihr Land rein ist. Nicht judenrein; das war ein paar Generationen vorher. Aber rein von allem Bösen. Dazu versuchen sie, böse Spuren zu tilgen – oder durch Wiedergutmachung karmisch auszugleichen.
Christliche Gutmenschen haben sich darangemacht, die Spuren des Patriarchats aus der Bibel zu löschen. Das ist nicht einfach bei einer
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