Achtung Kurven
heraus: »Wer von euch beiden kam eigentlich auf die verrückte Idee, die Kennzeichen vom Wagen abzumontieren?«
»Ihre Frau...«, stotterte Heinz Herold.
»Und Sie sind ohne weiteres darauf eingesprungen?«
»Ehrlich gesagt, ich war ziemlich froh, zu spät zu kommen.«
»Und wenn die Polizei noch nicht beim Wagen gewesen wäre?«
Herold zuckte mit den Schultern: »Ich kann es Ihnen nicht sagen, Chef, was ich in diesem Falle getan hätte.«
»Man hätte Sie dafür verknackt, Herold, und zwar bös verknackt. Und Ihre Fahrlehrerlizenz wären Sie auch losgeworden.«
»Das war mir klar...«
»Lassen Sie sich immer so leicht auf eine falsche Fährte locken?« fragte der Chef lauernd.
»Eigentlich nicht.« Herold spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. »Aber bei Frauentränen werde ich meistens schwach.«
»Nur bei Tränen?« fragte der Chef und blinzelte Herold an. Es sollte belustigt aussehen, aber die hellblauen Augen hinter den zwinkernden Lidern schimmerten kalt und lauernd.
»Ich verstehe Sie nicht...«
»Waren nicht vielleicht ein paar salzige Küsse dabei?«
»Jetzt langt es mir!« rief Herold scharf, »oder glauben Sie etwa, Ihre Frau oder mir war danach zumute, Ihnen rasch ein paar Hörner aufzusetzen?« Er sprang auf und stieß den Hocker mit den Kniekehlen zurück. »So lasse ich nicht mit mir reden!«
Der Chef starrte gegen die zartrose getönte Zimmerdecke. Herolds Empörung schien ihn zu erheitern: »Setzen Sie sich auf Ihren BA und ziehen Sie die Bremse an. So oder so, Weibertränchen oder Weiberschmus, am Ende wären Sie der Dumme gewesen.«
»Wenn Sie es also ganz genau wissen wollen, Chef: Als ich hier losfuhr, war mir klar, daß die Nummernschilder am Wagen bleiben würden. Man kann mich vielleicht weich machen, aber nicht dumm!«
Der Chef wedelte mit der Hand kurz über die Bettdecke. Damit war das Thema für ihn erledigt. Er wälzte sich mühsam auf die linke Seite und öffnete die Tür des Nachttischchens. Heinz Herold wollte sich diskret verdrücken, aber der Chef holte eine Cognacflasche aus dem Fach, zog den Stöpsel mit den Zähnen heraus, spie ihn auf die Steppdecke und setzte die Flasche an die Lippen.
»Sie sind wirklich ein Narr!« sagte Herold, es rutschte ihm heraus, ehe er den Mund schließen konnte.
Paul Bauersfeld nahm einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Er schnaufte tief, als er die Flasche absetzte, und grinste Herold an. Den Narren schien er ihm nicht im geringsten zu verübeln.
»Sie sind eigentlich ein netter Kerl, Herold«, knurrte er, »bloß hätte ich Sie nie einstellen sollen. Dann könnte ich mich jetzt ins Krankenhaus legen und später für vier Wochen nach Nauheim gehen, um mir die Cognacpumpe reparieren zu lassen.«
»Was Sie tun oder nicht tun, ist mir egal«, sagte Herold böse, »aber schauen Sie sich bald nach einem neuen Fahrlehrer um. Ihr Mißtrauen paßt mir nicht!«
»Sie werden bleiben, Herold«, sagte der Chef scharf, »aber Sie können mich trotzdem nicht für dumm verkaufen. Ich kenne alle Tricks. Männertricks und Weiberschliche. Es ist möglich, daß Sie tatsächlich ein harmloser Knabe sind. Aber ich halte jeden Menschen für einen Schweinehund, bis er mich vom Gegenteil überzeugt hat. Und dann traue ich ihm auch noch nicht. Wir sind allesamt Schweinehunde, Herold, allesamt! Und ich ganz besonders.«
»Na schön, Chef, darüber will ich mit Ihnen nicht streiten, aber was soll das?«
Herr Bauersfeld massierte mit seinen gewaltigen Pranken die Brust und den Bauch. Seine Schmerzen schienen nun, nachdem Unfall- und Polizeischock vorbei waren, von Stunde zu Stunde schlimmer zu werden. Aber er jammerte nicht.
»Seit Wochen versucht meine Frau, Sie bei mir madig zu machen...«
Herold glaubte, sich verhört zu haben. »Was sagen Sie da?«
»Daß Sie die Kladden schlampig führen, daß Sie mit Ihren Schülerinnen poussieren, daß Sie sich ihr gegenüber Frechheiten herausnehmen...«
Heinz Herold wollte empört protestieren, aber der Chef winkte ab und ließ sein tiefes Lachen hören: »Komisch, daß ihr nichts Besseres einfällt. Seit Jahren sind es die gleichen Ablenkungsmanöver. Ich bin nie darauf hereingefallen. — Haben Sie was zu rauchen dabei, Herold?«
Herold holte seine Zigaretten aus der Tasche und zündete zwei an, eine davon schob er dem Chef nach Fahrlehrerbrauch in den Mund.
»Ich bin ja nicht gerade auf den Kopf gefallen«, sagte er schließlich und lockerte seine Krawatte, »aber jetzt komme ich nicht mehr
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