Achtung, Superheld! (German Edition)
meinte es ernst.
»Nun, sollte ich feststellen, dass sie von dir im Internet zum Verkauf angeboten werden, wäre ich mächtig enttäuscht!«, sagte Plunkett und drohte ihm mit dem Zeigefinger.
»Werden sie nicht. Ich verspreche es.«
»Nun denn, du gehst jetzt wohl besser. Die übliche Zeit für mein Schläfchen ist schon vorbei, und die gute alte Schwester Strammer Hintern da draußen wird böse, wenn ich kein Nickerchen mache. Doch ich freue mich, dass du vorbeigekommen bist, Junge. Du hast einem alten Mann einen schönen Spaziergang auf der Straße der Erinnerung beschert. Und denk dran – freu dich an den Skizzen. Sie sind einzigartig!«
Als er wieder in seinem Zimmer war, legte sich Daniel aufs Bett und starrte enttäuscht an die Decke. Der Besuch bei Plunkett war ein Fehlschlag gewesen und Daniel würde Rohan berichten müssen, dass alle seine Nachforschungen nichts als ein paar tolle Skizzen eingebracht hatten. Er musste zugeben, dass er mit seinem Latein am Ende war.
Nach einer Weile wurde es ihm schließlich langweilig, er ging zu seinem Schreibtisch und öffnete Plunketts Mappe. Während er durch die Seiten blätterte, die Johnny in Aktion zeigten, tröstete er sich damit, dass zumindest Eric begeistert sein würde. Dies waren Originalzeichnungen von Johnny, wie er Panzer hochhob, Kugeln in der Luft auffing und für Ehrlichkeit und Anstand kämpfte. Eric würde sie wie einen Schatz hüten, wenigstens in den wenigen Wochen, die ihm als Kind noch blieben …
Als er die Skizzen gerade zum dritten Mal durchschaute, sah er sie – die Einband-Illustration von Heft Nummer 77. Mit klopfendem Herzen und zitternden Händen ging er zu seinem Rucksack und durchsuchte den Stapel Comics. 74, 75, 76 …
Daniel lief wieder zum Schreibtisch und schaute sich noch mal das vor ihm liegende Bild von Nummer 77 an, der ersten der fehlenden Ausgaben.
Das Titelbild zeigte eine Nachtszene, ein schlafender Junge neben einem offenen Fenster. Vor dem Fenster schoss Johnny Noble vom Himmel herab. Im Zimmer griff ein Schatten nach der schlafenden Gestalt des Jungen. Ein Schatten, den Daniel schon einmal gesehen hatte. Ein Schatten mit einem Herz aus Feuer.
Der Text im Banner oben auf der Seite lautete:
Neu in dieser phantastischen Ausgabe: Johnny Nobles treuer Gefährte und sein diabolischer Erzfeind! Kommt Johnny zu spät, um seinen neuen Freund aus den Klauen des Shroud zu befreien?
Der Shroud.
Atemlos lehnte sich Daniel in seinem Stuhl zurück. Endlich hatte ihr Feind einen Namen.
12
Mollies neuer Plan
In dieser Nacht schlief Daniel kaum. Er ging immer wieder die Ereignisse des Tages durch – die Begegnung mit Herman Plunkett, die Zeichnungen vom Shroud. Es war der gleiche Schatten, der Simons Kräfte geraubt hatte, der gleiche Schatten, der Daniel ins Gesicht geschaut hatte, da war er sich ganz sicher. Daniel vermutete, dass er der einzige Junge in der Geschichte von Noble’s Green war, der sich daran erinnern konnte, dass er den Schatten gesehen hatte.
Doch was bedeutete das alles? Irgendwie hatte Herman Plunkett vor einem halben Jahrhundert das Gesicht ihres Feindes gezeichnet und heute waren die einzigen noch existierenden Bilder vom Shroud seine Skizzen. Er hatte selbst gesagt, dass es sonst keine mehr gab. Ein verrückter Gedanke setzte sich in Daniels Kopf fest – war Herman Plunkett, dieser verschrumpelte alte Mann, in Wahrheit der Shroud?
Jetzt, wo er die Begegnung rückblickend betrachtete, bekamen Dinge, die ganz harmlos gewirkt hatten, eine unheilvolle Bedeutung. Was hatte Plunkett mit dem ganzen Gerede über den Tod von Sherlock Holmes wirklich gemeint? Versuchte er Daniel zu warnen? Ihm zu drohen? In vielen Geschichten spielte der Böse mit dem Helden erst Katz und Maus, bevor er zum finalen Schlag ausholte. Doch das waren Geschichten, und auf Geschichten konnte man nicht bauen. In Geschichten triumphierte das Gute stets über das Böse, und Daniel hatte genug von der Welt gesehen, um zu wissen, dass dies nicht immer stimmte.
Als er am nächsten Morgen aufwachte, fühlte er sich wie zerschlagen und sein verletzter Arm war eingeschlafen. Erst nachdem er sich ein wenig bewegt hatte, kehrte das Blut in den Arm zurück, und er jaulte auf, als seine Haut wie von tausend kleinen Nadelstichen zu prickeln begann. Wegen des Gipses konnte er den Arm nicht mal massieren, um das Blut wieder zum Zirkulieren zu bringen. Alles, was ihm übrig blieb, war, die Faust ins Kissen zu rammen und ein bisschen zu
Weitere Kostenlose Bücher