Achtung, Superheld! (German Edition)
sich. Er fühlte überhaupt nichts mehr. Er war wie betäubt.
»Wenn dir deine Freunde etwas bedeuten, musst du einen Weg finden, ihn aufzuhalten. Falls du einen Beweis brauchst, um die anderen zu überzeugen – ich meine, mehr als das Foto –, dann suche die fehlenden Ausgaben. Sie haben ihm als Inspiration gedient – möge Gott mir verzeihen, dass ich sie jemals gezeichnet habe. Sie haben ihm die Idee für seine Tarnung geliefert. Er wird sie immer noch haben. Finde sie und du hast den Shroud gefunden.«
Es war fast dunkel, als Daniel mit dem Fahrrad nach Hause fuhr. Die sonst immer heimeligen Häuser der Elm Lane wirkten bedrohlich in den Schatten der Dämmerung und der kräftige Novemberwind ließ ihn bis ins Mark frieren. Er stellte sein Fahrrad neben Mollies Vorgarten ab und starrte lange Zeit hoch zu ihrem Fenster.
Wie bringe ich ihr das bloß bei?, fragte er sich und stellte sich das Entsetzen, den tiefen Kummer in ihren Augen vor, wenn er ihr sagen würde, dass sie gegen einen der ihren kämpfen mussten. Er würde den Blick erkennen, weil es der gleiche war, den er selbst in diesem Moment hatte. Sie waren verraten worden, sie alle. Verraten von einem aus ihrer Mitte.
Er zog den schwarzen Umschlag aus seiner Manteltasche und starrte noch einmal auf das Foto, das sich darin befand.
Es war körnig und zeigte eine Schattengestalt, die im Dunkeln in einem verfilzten Dickicht stand. Unter der sich blähenden Schwärze, unter der dunklen Tarnung, die sich gerade auflöste, sah man das vertraute Gesicht eines Jungen.
Wie können wir gegen unseren Freund kämpfen? Wie können wir gegen Eric kämpfen?
17
Eric
Daniel beschloss, zuerst mit Rohan zu sprechen. Auch, wenn Rohan große Stücke auf Eric hielt, hatte er durchweg den klarsten Kopf in ihrer kleinen Gruppe. Es war wichtig, dass Rohan dabei war, wenn er es Mollie erzählte. Mollie war die Sorte Mensch, der sofort handelte – sie war stark, aber eben auch sehr emotional.
Daniel war sich immer noch nicht wirklich bewusst, dass er an einer Strategie arbeitete, mit der er einen seiner besten Freunde besiegen wollte. Eric – ihren Anführer, den Stärksten von allen. Daniel hoffte, ihn noch zur Vernunft bringen und ihm den ganzen Wahnsinn ausreden zu können, doch er wusste, sie mussten vorbereitet sein, wenn das nicht klappte.
Der Shroud war einer von ihnen.
Sosehr es Daniel auch zuwider war, er musste zugeben, dass Plunketts Version der Ereignisse einen Sinn ergab. Die Regeln hielten die jüngeren Superkids in Schach und versetzten sie in Angst. Eric nutzte dieselben Lügen für die fast Gleichaltrigen, wie zum Beispiel Michael, bis er sie ausschalten und auch ihnen ihre Kräfte rauben konnte. Nun waren nur noch ein paar Kinder übrig und eine wirkliche Gefahr für ihn waren nur Mollie und Clay. Bald würde er sich nicht einmal mehr verstellen müssen. Bald würde niemand mehr stark genug sein, um ihn aufzuhalten.
Sie mussten rasch handeln. Wenn Eric merkte, dass er enttarnt war, würde er vermutlich nicht zögern, zuerst anzu-greifen. Er könnte jederzeit zu Mollie und Rohan kommen – sogar heute Nacht! Sie mussten darauf vorbereitet sein.
Als Daniel Rohan entdeckte, lag er auf dem Rasen seines Gartens, das Ohr auf die Erde gepresst. Er hatte die Brille abgesetzt und sein Gesicht war vor lauter Konzentration ganz verkniffen. Er war so versunken in das, was auch immer er dort tat, dass er nicht einmal bemerkte, dass sein Hund Shaggy neben ihm saß und zufrieden Rohans offene Schnürsenkel zerkaute. Und das ist der »Vernünftige« von uns …
Daniel näherte sich Rohan und wartete. Shaggy trottete auf ihn zu und wedelte mit dem Schwanz. Ein Stück von Rohans Schnürsenkel baumelte von seiner Schnauze herab. Daniel kratzte den räudigen Hund hinter den Ohren und rief: »Rohan. Hey, Rohan!«
Rohan reagierte nicht.
Daniel seufzte und hob den Fuß. Er stampfte fest auf den Boden und sah zu, wie Rohan erschrocken nach oben schnellte.
»Ha! Ein Erdbeben!«, brüllte er. »Oh, du bist es.« Rohan zog seine Brille aus der Tasche und blinzelte zu Daniel hoch. »Ich habe einer neuen Ameisenkolonie zugehört, die gerade unter Moms Rosenbusch entsteht. Du hast mich überrascht.«
»Tja, also. Wir müssen uns dringend unterhalten. Es geht um Eric.«
»Eric?«, fragte Rohan und stand auf. Zerstreut klopfte er sich den Dreck von seinen Kleidern. Rohan hatte die Angewohnheit, stets die falschen Stellen an seinem Körper abzuklopfen. Er schlug auf die
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