Achtung, Superheld! (German Edition)
Plunketts Fingern auf und ab. Es gab noch weitere Stränge aus diesem Material, die hier und da Plunketts Körper umgaben – Überbleibsel seiner finsteren Shroud-Verkleidung.
Plunkett beobachtete ihn, während Daniel den Rest der Umgebung in Augenschein nahm. Wie er vermutet hatte, befand er sich in einer Kalksteinhöhle. Daniel spürte den kühlen Hauch eines Luftzugs auf seinem Gesicht. Eine Kerosinlampe spendete ein schwaches Licht, genug, um zumindest in ihrer Nähe einiges erkennen zu können. Was jenseits dieses kleinen Lichtflecks lag, wurde von den Schatten verschluckt, sodass er nicht sehen konnte, wie weit sich die Höhle erstreckte oder wie hoch ihre Decke war. Immerhin sah Daniel gut genug, um Erics Körper auszumachen, der ein paar Schritte entfernt lag. Sein Freund atmete leise und ruhig, war aber bewusstlos.
Hinter Eric sah er eine kleine Nische, in die die massive Rolltür, die Daniel von draußen gesehen hatte, eingepasst war. Sie war natürlich verschlossen.
Die Wände waren mit Zeichnungen bedeckt, die direkt in den Stein geätzt oder aufgemalt waren – Szenen des Kampfes, der Jagd und der Anbetung. Die Ausführung wirkte primitiv und erinnerte Daniel an Höhlenmalereien in Europa, von denen er in der Schule Bilder gesehen hatte. Diese Zeichnungen waren allerdings besser erhalten, die Farben leuchteten an den meisten Stellen immer noch hell und die Details waren bemerkenswert. Die Malereien waren seit vielen Jahren weder den Elementen noch neugierigen Blicken ausgesetzt gewesen. Hinter Plunketts Sessel gab es eine andere Art von Wandgemälde, eine Collage aus Fotos – gerahmt und ordentlich an der Felswand aufgehängt wie Familienbilder in einem Hausflur. Das Ganze wirkte völlig fehl am Platz in dieser uralten Höhle.
»Sie erzählen die Geschichte des Berges«, sagte Plunkett und deutete auf die bemalten Wände. »Dieser Ort hat unzählige Geschichten erlebt, bevor unsere Vorfahren seine Wälder betreten haben. Wir sind solch eine merkwürdige Rasse, wir Menschen. Wir fühlen uns dazu genötigt, unser Leben hinzukritzeln, mit Tinte, auf Papier oder auf Stein. Ob es nun Kalkstein ist oder die Seiten eines Comicheftes – ich nehme an, es ist in unserer DNA so angelegt – der Drang, unser Leben zu archivieren.«
Daniel entgegnete nichts, doch er dachte an die Zeichnungen, die die Wände des Baumhauses bedeckten. Generationen außergewöhnlicher Kinder, die ihr Leben mit Bleistift und Kreide aufgezeichnet hatten.
Als ob er Daniels Gedanken gelesen hätte, zeigte Plunkett auf die gerahmten Fotos hinter sich. »Dies sind meine armseligen Beiträge zur Geschichte. Eine ganze Wand des Gedenkens für die, die schon da waren. Meine Ruhmeshalle der Möchtegern-Helden.«
Daniel warf einen Blick auf die Fotos, und obwohl es zu dunkel war, um von seinem Platz aus Einzelheiten zu erkennen, konnte er eins mit Sicherheit sagen: Es waren alles Bilder von Kindern. Generationen von Kindern.
»Sie sammeln also … was? Bilder Ihrer Opfer im Laufe der Jahre?«
»Opfer? Wohl kaum. Ich habe jedes einzelne dieser Kinder gerettet. Ich habe sie vor sich selbst gerettet.«
»Wir sind also im Mount Noble … ich meine, im Hexenfeuer-Berg?«
»Ja.« Plunkett lächelte. »Wir ruhen bequem im Bauch des Ungeheuers.« Dieser Vergleich ließ Daniel frösteln. Er wollte nicht darüber nachdenken, dass er im Bauch von irgendwas ruhte.
»Und was ist mit meinen Freunden?«, fragte Daniel und dachte daran, wie sie reglos auf der Erde gelegen hatten. »Geht es ihnen gut?«
»Alles bestens. Sie waren ein bisschen geschockt über meinen großen Auftritt, doch das hat keine bleibenden Schäden hinterlassen. Wirklich, ich glaube, sie sind jetzt gerade unterwegs, um dich zu retten.«
Daniel fiel ein Stein vom Herzen und mit ihm seine größte Angst – dass seine Freunde beim Zusammenstoß mit dem Shroud verletzt worden waren oder noch Schlimmeres.
»Interessanter Schachzug, den Cudgens-Jungen zu rekrutieren, damit er gegen mich antritt. Ich habe dir deinen König genommen«, sagte Plunkett und deutete auf den bewusstlosen Eric, »und du gehst hin und nimmst einen deiner Bauern, um ihn zu ersetzen. Das nenne ich erstklassiges strategisches Denken.«
Plunkett beugte sich zu Daniel, ein schauriges Grinsen lag auf seinem Gesicht. »Spielst du Schach, Daniel?«
»Ja.«
»Gut. Dann freue ich mich, dass ich wenigstens meine Metaphern nicht an dich verschwendet habe.«
»An mich verschwendet ? Wovon sprechen Sie
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