Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
weit aufgerissen und ihr Atem ging schnell, aber sie blieb still.
„Gut. Okay, jetzt werde ich –“
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. James kam herein und schloss sie wieder fest. Er wirkte alarmiert. Matt sah zu wie James den Raum absuchte, bis er Matt hinter der Tür gegen die Nonne gepresst vorfand. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er wirklich, wirklich wütend aus. Und verletzt. Dann wurde sein Gesicht wieder genauso ausdruckslos wie sonst.
Obwohl es ihm das jetzt gar nicht mehr so normal vorkam. Matt hatte in den letzten Tagen so viele Seiten von James gesehen und keine davon trug diese ausdruckslose Maske.
„Bericht“, schnauzte James. Matt bemühte sich wirklich, wirklich sehr, nicht die Augen zu verdrehen. Fast hätte er es geschafft.
„Ich dachte, du hättest Schwierigkeiten, das Schloss zu öffnen, also habe ich dir die Tür aufgemacht und, ähm, sie vorgefunden.“ Er deutete mit dem Kopf auf die junge Nonne.
„Du hast die Tür geöffnet?“ Jetzt wirkte James auf keinen Fall ausdruckslos. Er sah aus, als ob er Matt für einen gigantischen Idioten hielte.
Matt gab seinen Augen die vollkommene Verdreh-Erlaubnis. „Sie wäre so oder so hereingekommen, James. Aber so konnte ich sie überwältigen.“
In James’ Wange zuckte ein Muskel, ein Tick, den Matt vorher noch nie bemerkt hatte. „Und warum die Boxershorts?“
Matt starrte ihn sprachlos an. Auf der Schwulenskala war er so penisfixiert wie ein Kerl nur sein konnte. „Ich. Bin. Gerade. Erst. Aufgewacht.“
James blinzelte. „Oh“, sagte er und entspannte sich ein wenig. Sie starrten sich kurz an. Matt fühlte sich, als würden sie plötzlich auf einer anderen Ebene kommunizieren. Nur dass er selbst nicht wusste, was er gerade sagte. James entspannte sich noch mehr, lockerte seinen Kiefer und wandte den Blick ab.
Oh. Er hatte seine Gehirnströme aufgefangen. Die, die er nicht abgeschirmt hatte. Aus irgendeinem Grund machte das Matt wütend. Er spürte wie seine eigenen Kiefermuskeln sich verspannten. James sah kurz zu ihm hin und dann wieder weg.
„Entschuldigung“, sagte die vergessene Nonne mit leiser, zitternder Stimme. Matt und James lenkten ihrer Aufmerksamkeit wieder auf sie. „Wirst du jetzt über mich herfallen?“
S CHWESTER B ENIGNA – die junge Nonne – hielt das offensichtlich für geboten. „Du trägst Boxershorts“, erklärte sie geduldig von ihrem Sitzplatz auf dem Bett. Matt hatte sie dort abgesetzt, nachdem sie zugestimmt hatte, nicht wegzulaufen, zu schreien oder zu kämpfen.
„Es ist der logische nächste Schritt.“ Irgendwie war Matt sich sicher, dass Logik nicht ihre Stärke war. Oder Gelassenheit ihr Normalzustand.
Aus Gründen, die Matt nicht verstand, fand James Schwester Benigna umwerfend komisch. Er lachte sogar. Matt sah ihn aus verengten Augen an. „Was soll das, James?“
James fuhr sich über die Augen und versuchte, wieder ernst zu werden. Er stellte sich direkt neben Matt und subvokalisierte: „Sie möchte es.“
Na und, wollte James ihr etwa den Gefallen tun? Matt starrte ihn an. Diesmal wurde James schlagartig ernst. Matts Gehirnströme breiteten sich ungehindert aus, aber das war Matt im Moment wirklich piepegal.
„Nein, natürlich will ich das nicht! Ich finde es nur witzig. Und ich glaube, sie inspiziert, was du ihr zu bieten hast.“ Er grinste wieder.
Grummelnd ging Matt zu ihren Rucksäcken hinüber und suchte nach sauberen Allwettersachen. Sollte Mr. Witzig sich doch um Benigna kümmern.
Oh, gut, Mr. Witzig hatte Wäsche gewaschen.
„Schwester, wie lange bist du schon in diesem Kloster?“ James war ausgesprochen nett zu ihr. Das war er zu jedem, wie Matt sich erinnerte. Zu jedem, von dem er dachte, dass er seinen Schutz brauchte. Matt wollte gerade seine Hose versiegeln, als ihm ein Gedanke kam.
Wenn James also nicht freundlich war, wollte er sich dann nur selbst schützen? Und was sagte das über die Zeiten aus, wenn er nicht freundlich zu Matt war? Oder die Momente, in denen er übermäßig freundlich gewesen war?
„Meine Eltern haben mich hierher geschickt, als ich zwölf war“, antwortete Benigna fröhlich und zog damit wieder Matts Aufmerksamkeit auf sich. „Sie konnten sich so viele Kinder nicht leisten und ich war die Älteste. Jeder weiß, dass man Töchter zu den Schwestern schicken kann und dass sie sich immer über neue Novizinnen freuen.“
„Und wie lange ist deine Weihe her?“, unterbrach James.
Sie kicherte – Gott, sie entsprach
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