Achtzehnprozentiges Grau: Die Flucht (German Edition)
ihm auf keinen Fall vertrauen“, warnte sie mit leiser Stimme, als sie sich ein Stück von der Mauer entfernt hatten.
„Was wäre denn für ihn etwas wirklich Schändliches?“ Matt konnte nicht anders, als zu fragen.
„Zwei Menschen, die vor der RIA auf der Flucht sind rauszuschmuggeln, damit sie einen Kontraktor in den Blauen Staaten kontaktieren können, der ihnen bei der Flucht hilft. So was in der Art.“ Nach dem Klang ihrer Stimme zu urteilen, amüsierte Pearl sich köstlich. Wahrscheinlich erlaubte ihre Ausbildung in Forschung und Entwicklung ihr nicht besonders oft, Spion zu spielen.
Sie brauchten eine Weile, um zu Fuß die verlassene Tankstelle am nahen Highway zu erreichen, die offensichtlich ihr Ziel war. Matt ermüdete rasch und er war erleichtert, als sie da waren und er stehen bleiben konnte. James sah ihn scharf an, war aber klug genug, seine Kommentare für sich zu behalten.
„Also, warum sind wir hier?“ Matt presste die Lippen zusammen, als ihm klar wurde wie atemlos er klang.
Pearl deutete auf eine merkwürdige quadratische Säule, die neben der Mauer des verlassenen Gebäudes aus dem Boden ragte. Eine Art Kasten war am oberen Ende befestigt, der vorne und unten offen war. Als sie näher kamen, sah er, dass sich in dem Kasten noch etwas befand.
„Ist das eine Telefonzelle?“ Er hatte schon gelegentlich eine gesehen, aber sie waren veraltet und etwas Besonderes. Man sah sie immer nur bei verlassenen Gebäuden wie diesem. Oder in Museen.
Pearl lächelte so breit, dass das schwache Mondlicht ihre Zähne zum Glänzen brachte. „Nur für den Fall, dass es noch nie jemand erwähnt hat, Lance ist ein ziemlich einfallsreicher Mann.“
„Ist mir auch schon aufgefallen.“ Matts Stimme war trocken. Wie hatte er fast drei Jahre lang für die QESA arbeiten können, ohne dass ihm so etwas je untergekommen war? Es erklärte jedenfalls, warum Lance ständig Aufträge bekam, Nachrichten an blaue Agenten in der Roten Zone weiterzuleiten.
Es gab keinen Bildschirm, aber es war eine sichere Form der Kommunikation, weil man die Wellen nicht auffangen konnte. Sie beruhte hauptsächlich auf Leitungen im Boden, die vor über hundert Jahren verlegt und dann aufgegeben worden waren. Wenn man einmal die grundlegenden Dinge geregelt und verlassene Telefonzellen mit funktionierenden Leitungen gefunden hatte, brauchte es nur sehr wenig Wartung und sehr wenig Verschlüsselung, um sie zu benutzen. Die Qualität schwankte und gelegentlich zerstörte jemand irgendwo eine Verbindung, die dann verloren war, aber im Moment funktionierte es noch ziemlich gut.
Matt hob den Hörer auf Pearls Drängen hin ab und hielt ihn sich unbeholfen ans Ohr. „Wah!“, rief er aus und ließ ihn fallen. Der Hörer fiel bis zum Ende des kurzen Kabels, hing herunter und gab einen merkwürdigen, hohen Summton von sich.
„Was zur Hölle ist das für ein Geräusch?“
„Man nennt es Freizeichen.“ James grinste. „Es sagt einem, ob man eine Verbindung herstellen kann.“
„Ich glaub’s nicht“, murmelte Matt. Er drehte sich zu James um. „Was hast du gemacht, als du es zum ersten Mal gehört hast?“
Pearl lachte. „Ziemlich genau das gleiche wie du. Nur dass er zusätzlich in Deckung gegangen ist. “
„Ich dachte, es wäre ein Alarmsignal“, murmelte James verlegen.
„Du amüsierst dich prächtig, oder?“ Matt warf Pearl einen finsteren Blick zu.
Sie zuckte mit den Achseln. „Ja, Carmella hat das gleiche mit mir gemacht, als ich hier herkam. Ich habe jahrelang auf ein Opfer gewartet.“
„Ich musste nur einen Tag warten.“ James klang vergnügt.
Matt schnaubte, was sich beängstigend ähnlich wie James anhörte, und griff wieder nach dem Hörer. „Da tut sich nichts“, verkündete er, nachdem er eine Minute gewartet hatte. Er drehte sich um. Pearl lächelte wieder und James schmunzelte. „Also, was jetzt?“
„Du musst die Nummer wählen.“ Matt blinzelte. Na klar. Die Leute hatten immer noch Com-Nummern. Nur das ... „Wie lautet die Nummer?“ Sie hatte nur zehn Zahlen, keine Buchstaben oder Symbole. Total antiquiert. Nach ein paar merkwürdigen Klickgeräuschen wartete er das Klingeln ab.
„Hallo?“, schrie eine Stimme in sein Ohr.
„Mein Gott! Ich kann dich hören, du musst nicht so schreien.“
„Matt?“ Es war Grampa Lance. „Es tut gut, deine Stimme zu hören, mein Sohn.“ Oh Gott, er nannte ihn Sohn. Jetzt konnte er jeden Moment sentimental werden.
„Ja, Grampa, auch schön mit dir
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