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Ackermann tanzt

Titel: Ackermann tanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders
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eigentlich hatte er mit mehr gerechnet. Vermutlich hielt das Wetter doch einige davon ab, ihre Neugier spazieren zu führen. Unablässig ging ein feiner Nieselregen nieder, der langsam aber sicher die Kleider durchweichte. Van Appeldorn entdeckte den Rektor der Hauptschule, neben ihm Jansen und zwei weitere Lehrer. Eine große Gruppe Schüler drängte sich hinter ihnen zusammen. Sie sahen alle aus, als würden sie schrecklich frieren. Anna und ihre Freundin Carmen waren auch dabei.
    Der Pastor führte das Mikrofon näher an den Mund. »Asche zu Asche«, dröhnte es scheppernd aus dem Lautsprecher. Frau Kaufmann erbebte und sofort waren zwei Damen an ihrer Seite und hielten sie davon ab, sich ins Grab zu stürzen. Damen! Wo war denn die ganze Mischpoke abgeblieben? Keine Spur von den Pennern und den trauernden, trinkfreudigen Nachbarn. Machten sich wohl nicht so gut in Exklusiv am Puls des Lebens oder wie die Sendung heißen mochte. Nur Jacqueline stand da und hielt sich an einem nagelneuen Zwillingsbuggy fest, in dem ihre Geschwister schliefen. Wahrscheinlich hatte man die sediert.
    16
    Die Kühe. Was hatten die auf einmal? Was war denn los?
    Björn versuchte, die Augen zu öffnen, aber das war so schwer. Sein Kopf tat teuflisch weh und fühlte sich ganz komisch an. Heiß war ihm auch, wie verrückt. Warum musste er so zittern? Bestimmt hatte er Fieber oder war das so, wenn man verhungerte? Sein Mund klebte und er konnte kaum schlucken. Die Unterlippe platzte auf, als er mit der Zunge darüber fuhr. Es brannte, Tränen schossen ihm in die Augen. Irgendwo musste die Kanne sein, bestimmt war noch Wasser übrig. Er würde sie später suchen. Mühsam rollte er sich auf die Seite und zog die dünne Decke hoch bis übers Ohr. Seine Zähne schlugen aufeinander.
    Die Kühe! Er riss die Augen auf. Stockdunkel. Eins von den Kälbern muhte klagend. Was war das? Da, wieder! Ein flickeriges Licht unter ihm auf der Tenne.
    Sie hatten ihn gefunden! Er hielt die Luft an. Da waren Stimmen, ganz leise nur. Taschenlampen. Björn ballte die Fäuste und wagte nicht, sich zu bewegen. Mama! Mama, hilf mir!
    Der Lichtschein wanderte an der linken Wand entlang, über das Tennentor, den Durchgang zum Hühnerstall, rechts weiter, immer näher auf seine Leiter zu. Er zog die Knie bis ans Kinn und versteckte den Kopf unter der Decke. Eine Kuh brüllte, sofort fingen auch die anderen an.
    Da hörte er ihn: »Los, nach oben, die Leiter hoch!« Dieselbe Stimme: »Wir kriegen dich, Giltjes, verlass dich drauf!«
    Sie waren da! Sie würden ihn totmachen. Andy! Mama!
    Und dann krachte es. Irgendetwas spritzte neben ihm hoch. Er riss sich die Decke vom Gesicht. Stroh wirbelte durch die Luft.
    Im Stall unten gingen die Neonröhren an. Jemand brüllte. Das war sein Onkel. »Saubande!« Die Kühe zerrten an ihren Ketten. Wieder krachte es. Da schoss einer! Schritte. Jemand rannte, das Tor quietschte und schlug dann hart gegen die Wand.
    »Stehen bleiben, verflucht, Hände hoch oder ich schieß euch über den Haufen!«
    Björn stemmte sich hoch. Jetzt konnte er Onkel Bernd sehen, wie er zum offenen Tor rannte, zwei neue Patronen in die Schrotflinte schob. »Runter von meinem Gehöft!«
    Dann schoss er wieder. Hinaus ins Dunkle. Stille.
    Tante Martha war unten an der Leiter. »Was ist denn los?«, schrie sie ängstlich. »Ich rufe die Polizei.«
    Onkel Bernd schloss das Tor und legte den Riegel vor. »Lass mal, die sehen wir nicht wieder. So schnell, wie die gerannt sind. Verdammtes Pack! Ich möchte bloß wissen, was die hier wollten.« Er knickte die Flinte über dem Unterarm, rückte mit einer Hand seine Schlafanzughose zurecht und schlurfte zurück.
    Björn hörte ihn noch leise murmeln, dann ging das Licht aus.
    Er wollte rufen, schreien. Das Blut dröhnte ihm in den Ohren. Er kriegte keinen Ton heraus. Alles war nass, seine Hose. Das Schluchzen presste ihm die Luft ab.

    »Ich möchte Sie nur kurz über einige Dinge in Kenntnis setzen.«
    Diesmal hatte die Chefin van Appeldorn und Ackermann zu sich in ihr geräumiges Büro im Verwaltungstrakt kommen lassen. Sie stand von ihrem Schreibtisch auf, bot ihnen Plätze auf der Sitzgruppe an und ließ sich selbst anmutig im Sessel nieder. Auch das bereits gerichtete Tablett mit Kaffee und Plätzchen sollte wohl zeigen, dass es sich um ein eher informelles Gespräch handelte.
    »Bitte bedienen Sie sich«, meinte sie, schlug die Beine übereinander und strich ihren silbergrauen Rock glatt.
    »Mit Kaffee können

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