Ackermann tanzt
durchs Gesicht. »Du dreckige Hure!«
Fanny holte aus und trat Zarah in den Hintern. »Du sollst aufhören, hab ich gesagt.«
Zarah starrte sie an. »Bist du bescheuert, oder was?« Ihre Augen wurden ganz klein. »Das sag ich, schwör ich dir. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?«
»Halt endlich deine dreckige Schnauze! Also, Jacqui, du hast genug Zeit gehabt. Leg los, wo steckt Giltjes?«
Das Mädchen fing an zu heulen.
Zarah sah Fanny an, ihr Mund zuckte. »Scheiße, Alte ...«
Fanny stand breitbeinig gegen den Bindetisch gelehnt und sah auf die beiden hinunter. »Also, was ist?«
»Ich hab alles versucht, echt«, schluchzte Jacqueline, »aber keiner weiß was.«
»Warst du bei dem Alten von Giltjes?«
»Ja, aber der war total breit. Der hat nicht gepeilt, was ich eigentlich wollte.«
Fanny seufzte, dann streckte sie ihre Hand aus und half Zarah auf die Füße. »Du kriegst eine letzte Frist, Jacqui, vierundzwanzig Stunden. Und glaub bloß nicht, du hast eine Chance gegen uns. Wir finden dich überall!«
»Ihr seid echt zum Kotzen«, heulte Jacqueline. »Das hätt ich nie gedacht. Mein Bruder ...«
»Fresse! Komm uns nicht auf die Tour. Du hast die Sau genauso wenig abgekonnt wie wir. Also, mach hin!«
Damit schob Fanny Zarah vor sich her nach draußen, schulterte ihren Rucksack und ging zu ihrem Fahrrad.
»Du musst das morgen alleine bringen«, sagte sie leise. »Ich kann morgen nicht.«
Zarah machte große Augen. »Was ist denn mit dir los? Du bist schon die ganze Zeit so komisch.«
Fanny stieg auf ihr Rad und fuhr los. Sie sah sich nicht mehr um.
»Hee!«
Zarah zuckte zusammen.
Es war nur Killer. »Du brauchst dich da nicht mehr reinzuhängen. Wir wissen, wo Giltjes steckt.«
»Echt? Wo?«
»Bei seinem Onkel auf dem Hof in Emmerich.«
»Woher wisst ihr das auf einmal?«
Killer schnippte mit den Fingern. »Man hat seine Kumpel.«
Der Pastor der Christus-König-Gemeinde hatte Andy Kaufmanns Beerdigung ganz früh morgens angesetzt, wohl um möglichst wenig Öffentlichkeit dabei zu haben, aber der Plan war gescheitert. Als Ackermann und van Appeldorn auf dem Friedhof ankamen, bot sich ihnen ein bekanntes Bild: Fernsehkameras, Reporter, sogar Beleuchter waren längst da.
»Sieht fast so aus, als würde hier ein Film gedreht. Jetzt wird mir klar, warum du dich so in Schale geschmissen hast«, meinte van Appeldorn boshaft und strich prüfend über das Revers an Ackermanns dunklem Jackett.
»Dat is’ ’ne Beerdigung un’ ich weiß schließlich, wat sich gehört«, antwortete Ackermann ungerührt und ließ seinen Blick über van Appeldorns Jeans und den roten Blouson streifen.
»Du bringst mich noch ins Grab, Ackermann! Wir sind doch nicht zum Vergnügen hier, sondern beruflich. Du bist ... ach, vergiss es!«
»Dat wollt ich sowieso fragen. Denkst du, der Björn taucht hier auf? Oder warum sind wir hier?«
»Ich weiß auch nicht so genau ...«
»Du, Norbert ...« Das war eine gute Gelegenheit, fand Ackermann. »Ich muss dir was erzählen wegen diese angeblichen Saalordner ...«
»Lass mich bloß damit in Ruhe!«
»Ich hab aber noch mal über Weller nachgedacht.«
Van Appeldorn runzelte die Stirn und versuchte zu verstehen. »Später«, meinte er schließlich. »Und jetzt halt endlich die Klappe. Wir sind auf einer Beerdigung und man weiß schließlich, was sich gehört.«
Mutter Kaufmann stand am offenen Grab und sah in ihrem eleganten schwarzen Kostüm und den neuen Pumps verzweifelt und sehr zerbrechlich aus. Ihr Haar war hochgesteckt, sie war sogar geschminkt, und in den manikürten Händen hielt sie eine langstielige, dunkelrote Rose.
»Ich glaube, ich habe Halluzinationen«, murmelte van Appeldorn. »Was ist denn mit der passiert?«
»War alles dat Fernsehen«, flüsterte Ackermann zurück. »Die haben ihr die Klamotten gekauft und ’ne Maskenbildnerin hatte die auch.«
»Woher hast du das denn schon wieder?«
»Wie dat so geht. Von meinem Cousin die Schwiegermutter, davon die Freundin, die is’ Putzfrau im Kindergarten anne Küppersstraße. Die alte Kaufmann hat schon ’ne Talkshow gedreht, läuft innen paar Wochen. Dat verzeihe ich mir nie: Mein Kind ist tot, oder so wat. Un’ für so ’n Frauenblatt kommt se mit ’ner großen Story raus: Andy hatte keine Chance. Kinderschicksale in Deutschland. Ich möcht nich’ wissen, wat die dafür kassiert hat.«
Van Appeldorn schwieg grimmig und sah sich weiter um. Es waren an die zweihundert Leute auf dem Friedhof, aber
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