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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Fast machte er ihm Angst.
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    Lunau hatte Zappaterra schon den ganzen Nachmittag observiert. Zappaterra hatte früh das Firmengelände verlassen, war in ein Fitnesscenter gegangen, dann hatte er seinen Sohn geholt.
    Er hatte niemanden getroffen, der als Mittäter in Frage kam. Er zeigte keine Spur von Nervosität.
    Lunau durchsuchte noch einmal die Steuerunterlagen, las den vorläufigen Obduktionsbericht, den Silvia ihm gegeben hatte, er telefonierte mehrmals mit Balboni, aber es gab keine Argumente, um bei der Staatsanwaltschaft einen Durchsuchungsbefehl zu beantragen. Im Gegenteil, das Erbrochene, das man am Tatort gefunden hatte, stammte von Pirri. Allerdings hatte Balboni eine Flusskontrolle für die kommende Nacht angeordnet.
    Jetzt fuhr Lunau noch einmal zum Tatort und sah über den Fluss. Er ließ den Wagen auf der Deichstraße stehen und ging in dem feuchten Gras die Rampe hinab. Es dämmerte, der Tau glitzerte in den letzten Lichtstrahlen. Unten am Flussufer standen die hohen Büsche als schwarze Wand.
    In den Fahrspuren, die ins Deichvorland führten, sah man noch Reste von dem Gips, mit dem die Ermittler die Profile ausgegossenhatten. Außerdem hatten sie an zahlreichen Stellen Bodenproben genommen und seltene Pflanzenarten katalogisiert. Sollte man an Schuhwerk oder sonst wo Samen oder Erde finden, konnte man einen Abgleich anstellen. Aber dazu musste man erst einmal einen Verdächtigen haben. Für die Polizei gab es den nicht. Und je mehr Zeit verging, desto unwahrscheinlicher wurde, dass der Mörder derlei Spuren konservierte.
    Lunau streifte durch das Unterholz, er stöberte in den hohen Grashalmen herum und schaute sich die Lache mit dem Erbrochenen an. Warum hatte Pirri sich übergeben? Hatte er zusehen müssen, wie sein Freund getötet wurde?
    Lunau lauschte auf ungewöhnliche Geräusche und suchte nach Müll. Er fand nichts, was irgendeinen Aussagewert gehabt hätte. Er versuchte sich vorzustellen, wie man Di Natale hierher gelockt hatte, einen Mann, dem Argwohn fremd war. Aber er hatte seine Fahrt zu den Corelli-Brüdern in aller Heimlichkeit vorbereitet. Nicht einmal ein Handy hatte er mitgenommen, damit man ihn nicht orten konnte. Wie war es möglich, dass er sich ans Ufer hatte locken lassen? Ohne Gegenwehr? Wieso gab es keine Spuren von einem Kampf ?
    Lunau ging ans Ufer, setzte sich auf die glitschigen Steine, die einen schmalen Sandstrand flankierten, und starrte aufs Wasser, diese graue, trübe Brühe, die sich unbeeindruckt von allem dahinwälzte.
    5000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde, bei Hochwasser leicht das Vierfache. Damit konnte man 20 Hallenbäder befüllen. Jede Sekunde. Dieses Wasser löscht den Durst von etwa 15 Millionen Menschen und 20 Millionen Stück Milch- und Schlachtvieh, es dient chemischen Reaktionen und zur Kühlung in Industrieanlagen, zur Reinigung von Leder in Gerbereien. Es lässt Binsen, Schilf und Algen wachsen, die das Wasser mit Sauerstoff anreichern, den wiederum Groppen, Döbel und Welse mit ihrenKiemen atmen. Der Po bewässert Tabak-, Mais- Weizen- und Reisfelder, Birnen-, Apfel- und Pfirsichplantagen. Die Klospülungen in Mailand laufen im Oberlauf des Po zusammen, ungeklärt macht das Material sich auf den Weg in die Adria, vorbei an zinnenbewehrten Städten wie Cremona, Mantua oder Ferrara. Die  Sedimente, die der Fluss mitschleppt, drängen als riesige schlammfarbene Wolke ins Meer, die von den Strömungen an der Küste verteilt wird und die Erosion der Sandstrände ausgleicht.
    Die verschiedensten Behörden sind ausschließlich dazu da, den Po und sein Verhalten zu überwachen. Diese Behörden kommen nicht immer gut miteinander aus. Zu unterschiedlich sind die Zielsetzungen. Wenn es nach der AIP O ginge, könnte der Fluss getrost austrocknen, dann stiege sein Wasser nicht mehr über die Deiche, und die AIPO müsste nicht mehr um Leib und Leben der Zivilbevölkerung bangen. Für die ARNI kann der Wasserstand nicht hoch genug sein, denn die ARNI versucht, der Binnenschifffahrt eine möglichst tiefe Fahrrinne zur Verfügung zu stellen, gleichzeitig aber die Brücken so weit anzuheben, dass Schiffe bequem darunter passieren können. Die Umweltbehörde wiederum wacht mit Argusaugen darüber, dass diese neuen Brücken, ebenso wie Schleusen oder Deichbaumaßnahmen heimische Arten nicht beim Brüten, Jagen oder bei der Paarung stören. Eine Fuchsmutter, die mit einer toten Ratte im Maul in einer Deichflanke verschwindet, um ihren Wurf zu nähren, kann einen

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