Acqua Mortale
hier von den Stechmücken piesacken zu lassen«, sagte Filippo.
»Jetzt hör auf zu maulen«, antwortete Zappaterra und schaltete ein hellblau schillerndes Gerät an, das unter der Dachrinne hing und in dem Insekten mit einem Zischen verglühten. Er spießte zwei Stichlinge auf die Haken und zeigte seinem Sohn, wie er die Angel auswerfen sollte. Dann setzten sich die beiden nebeneinander, und Zappaterra trank in großen Schlucken.
»Zum Essen gibt es einen Weißwein.«
»Ich will nicht hier essen.«
Zappaterra versuchte, mit seinem Sohn anzustoßen, aber dieser hatte das Bier nicht angerührt. Zappaterras Miene wurde hart.
»Es wird Zeit, dass du ein paar ganz wesentliche Dinge lernst«, sagte er. Sein Sohn hatte sich in den Klappstuhl sinken lassen und schaute durch seine gespreizten Beine ins trübe Flusswasser.
»Es gibt wichtige Neuigkeiten. Zwischen deiner Mutter und mir sind die Dinge nicht mehr so wie früher.«
»Ach, das war mir gar nicht aufgefallen.«
Zappaterra schaute seinen Sohn an. Wäre er nicht sein Sohngewesen, hätte er ihn längst mit einem Faustschlag niedergestreckt. Dafür, dass er so ein Hänfling war, riskierte er einiges.
»Du musst bald allein deinen Mann stehen.«
»Ja, das hast du jetzt schon zwei Mal gesagt. War das alles, was du mir beibringen musstest?«
Jetzt war auch die väterliche Geduld aufgebraucht. Zappaterra packte Filippo an der Schulter: »Vorsicht. Vergreif dich nicht im Ton. Nicht mit mir.«
Sein Sohn hatte kein bisschen Körperspannung aufgebaut, was Zappaterra noch mehr fuchste. Er wollte Filippo aus dem Stuhl zerren, als sein Schwimmer unter der Wasseroberfläche verschwand. Er griff sich die Rute, ließ die Spitze nach oben schnellen und gab gleich wieder ein bisschen Leine. Der Widerstand, den er in seinem Unterarm gespürt hatte, ließ sein Herz schneller schlagen. Das war ein kräftiger Kerl, vielleicht ein Hecht. Der Kampf dauerte fast eine halbe Stunde. Eine halbe Stunde, in der Zappaterra den Fisch mürbe machte, indem er ihn immer wieder davon schwimmen ließ und in Schwächephasen zurückholte. Er durfte den Zug nicht übertreiben, sonst riss die Schnur, oder der Kiefer des Hechts. Als er ihn an Bord hievte, das Tier um seine Längsachse peitschte und ihm das Wasser ins Gesicht spritzte, warf er einen Blick auf seinen Sohn.
»Ist das nicht ein erhabenes Schauspiel?«
Filippo war verschwunden.
»Filippo!«, schrie Zappaterra.
Der Junge kam aus der Hütte, eine Zeitschrift in der Hand.
»Was zum Teufel treibst du denn? Kreuzworträtsel? Mit neunzehn? Bist du bescheuert? Nimm das Messer.«
Er deutete mit dem Kinn auf das Messer, das in der Scheide an seinem Gürtel steckte. Er hatte den Fisch jetzt mit beiden Händen gepackt.
»Töte ihn!«, sagte Zappaterra.
Sein Sohn bewegte sich nicht. Er hielt das Messer wie ein Ministrant eine Kerze.
»Das musst du lernen.«
»Ach ja, meinst du?«
»Nimm das Messer an der Klinge, und dann schlägst du mit dem Knauf – hier auf den Schädel. Du musst ihm mit einem Schlag den Schädel zertrümmern. Dann leidet er am wenigsten, und du ruinierst die Filets nicht.«
Der Sohn bewegte sich nicht.
»Jetzt mach schon, verdammt! Was bist du für eine Memme.«
Andrea Zappaterra hatte sich mit seinem ganzen Gewicht auf den Fisch gestemmt, aber das Tier schlug so heftig mit der Schwanzflosse, dass es ihm zu entgleiten drohte.
»Er haut ab. Schlag zu.«
»Wozu?«
»Wozu? Willst du ihn vielleicht lebend essen?«
»Ich will ihn gar nicht essen. Ich bin Vegetarier.«
»Seit wann?«
Zappaterra hatte es die Sprache verschlagen. Sein Griff hatte sich gelockert, und der Fisch schnalzte in großen Sprüngen über Deck, knallte gegen die Wand der Blockhütte, fiel auf die Planken zurück und rutschte über die Kante in den Fluss, wo er lautlos abtauchte.
»Vegetarier? Spinnst du?«
Zappaterra griff seinem Sohn an das Jackenrevers und schüttelte ihn. »Mensch, was ist denn los mit dir? Du bist mein Erstgeborener.«
»Na und?«
Zappaterra ließ sich in seinen Klappstuhl fallen und schaute seinen Sohn an. Dieser hatte sein Handy hervorgeholt und wählte eine Nummer.
»Wen rufst du an?«
»Mama.«
»Wozu?«
»Sie soll mich abholen.«
»Kommt nicht in Frage«, sagte Zappaterra und nahm Filippo das Handy ab. »Über deine Mutter müssen wir noch reden.«
Er drückte das Gespräch weg und schaute seinen Sohn wieder an. Er überlegte, wo er anfangen sollte, aber dieser Mensch stand vor ihm wie ein Unbekannter.
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