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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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seien. Sie lagen noch auf dem Küchentisch. Er schaute sie sich gründlich an, fuhr mit dem Daumennagel über die Kanten der Passbilder und studierte die Farbe der Stempel. Er grinste höhnisch. Die Ausweispapiere der fünf Partisanen waren gefälscht, hervorragend gefälscht, denn sie stammten aus der Druckerei in Bologna. Dort gaben die Besatzer die Befehle, und die Italiener bedienten die Maschinen. Aber die SS suchte nicht nach Indizien und Beweisen, sie wollte Geständnisse. Und sie wusste, wie und wem sie Geständnisse abpressen konnte. Der Sturmbannführer war ein drahtiger, frisch rasierter Mann. Er nahm seine Uniformmütze mit dem blinkenden Totenkopf ab, fuhr sich über das kurze Haar und setzte die Mütze wieder auf. Nicht, um seine Müdigkeit zu überspielen, sondern um die Vorfreude zu steigern.
    »Wir wissen, dass auf Ihrem Hof Saboteure leben«, sagte er zu dem Bauern. »Sie haben gegen das Gesetz verstoßen, aber wir lassen Gnade vor Recht ergehen, wenn Sie uns die betreffenden Personen zeigen und deren wahre Namen nennen.«
    Das konnte der Bauer nicht. Er kannte die Identität der Männer nicht, ebensowenig wie die Männer selbst. Das war ein Grundprinzip der Resistenza. Abgesehen von lang jährigen Freunden, die sich gemeinsam einem Kommando angeschlossen hatten, wusste niemand, mit wem er es jeweils zu tun hatte. Er wusste nicht, wo sich das operative Kommando oder andere Einheiten befanden. Befehle wurden von Kurieren übermittelt, meist Frauen, manchmal Kinder, die ihrerseits nur tote Briefkästen und Deckadressen kennen sollten. Wenn einer geschnappt wurde, konnte er nur bruchstückhafte Informationen preisgeben. Da half auch Folter nicht. Die SS folterte trotzdem.
    »Sie werden verstehen, dass wir nicht viel Zeit haben«, sagte der Sturmbannführer und machte eine vage Geste Richtung Bologna, wo die Offensive tobte. Er schaute einen seiner Männer an, dann zuckte sein Kopf Richtung Stefano und Richtung Mutter. Fiamma, Anfang dreißig. Tagsüber schuftete sie für zwei, und nachts geisterte sie durch die Träume der fünf Fremden auf dem Hof, auch wenn ihre Brüste klein und ihre Hüften schmal geworden waren.
    Der Sturmbannführer ging auf den Herd zu, rührte in der Suppe und warf, obwohl man ihm den Hunger ansah, die Kelle verächtlich in den Topf. Er bückte sich nach dem Schürhaken, öffnete einen der Ofenringe und schob den Haken in die Glut. Mit Knüffen der Gewehrkolben scheuchten die SS ler die Männer auf, sie wankten mit den auf den Rücken gebundenen Stühlen an den Tisch, bis sie wie bei einem Festbankett saßen. Dann nahmen die Deutschen Stefano und Fiamma, warfen sie bäuchlings auf den langen Esstisch und banden sie mit Lederriemen fest. Der Sturmbannführer zog dem Jungen Stiefel und Lappen von den Füßen. Fiamma trug nurHolzschuhe, die sie mit verkrampften Zehen festhielt. Der Sturmbannführer riss sie herunter und warf sie in die Kochmaschine, wo sie in den Flammen zu knacken begannen. Er gab einem seiner Schergen ein Zeichen, und dieser suchte über dem Spülbecken nach Geschirr. Dann füllte er fünf Teller und verteilte sie an seine Kameraden.
    »Mir ist es gleich, wer von Ihnen redet, meine Herrschaften«, sagte der Sturmbannführer und blies über den Löffel mit der heißen Suppe. Schlürfend kostete er und nickte anerkennend Richtung Fiamma. Die Frau hätte am liebsten ausgespuckt, aber ihre Zunge klebte trocken am Gaumen.
    Der Sturmbannführer ging an den Herd, nahm ein Geschirrtuch, griff den Schürhaken, kehrte an den Tisch zurück und legte das weißlich-orange glimmende Eisen neben Fiammas Kopf auf den Tisch. Eine feine Rauchsäule stieg auf, es duftete nach verbranntem Holz, und die Spitzen von Fiammas langen Wimpern verbogen sich und schnurrten zu Klümpchen zusammen.
    »Noch nicht heiß genug«, sagte der Sturmbannführer und brachte den Schürhaken zurück zur Kochmaschine. Dann nahm er seinen Suppenteller und sagte: »Dafür ist die Suppe jetzt wohl temperiert.«
    Er setzte sich direkt vor Fiamma und Stefano und aß bedächtig Löffel für Löffel, sich zwischendurch immer wieder die Kinnspitze mit der Kante des Esswerkzeugs reinigend. Seine Männer waren längst fertig, einer zerteilte mit einem Bajonett das Hühnchen und gab den Ranghöchsten die Brust- und Schlegelstücke, den anderen die Flügel.
    Aroldo lauschte auf das Artilleriefeuer in der Ferne. Manchmal schien es näher zu kommen, dann wieder zu verstummen. Wo blieben sie nur? Wollten die

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