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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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nach: »Ist es nicht auffällig, dass man immer nur von einem Trio gehört hat, wo doch auf der ganzen Welt Streifenwagen mit Duos besetzt sind und offenkundig zwei Wagen am Tatort waren?«
    Palombo betrachtete die Aschenspitze seine Zigarette von vorne, als hätte er plötzlich unbekanntes Terrain entdeckt. »Der große Unbekannte?«
    Lunau zuckte ebenfalls mit den Achseln und sagte: »Reine Theorie.«
    »Wie alles, was wir bisher haben. Ich weiß nicht, wer den tödlichen Schlag geführt hat. Es ist nicht einmal klar, ob Schläge für den Exitus verantwortlich waren oder der extreme Druck auf den Brustkorb. Marco lag am Boden, hatte vermutlich ein oder mehrere Knie auf dem Thorax und an der Kehle. Laut Obduktion war Atemstillstand die Todesursache.«
    Lunau überlegte. »Was von dieser Version deckt sich mit den Fakten?«
    »Zeugen haben Schreie gehört, auch Marcos Flehen, sie mögen doch aufhören, es sei genug, er werde sich nicht mehr wehren.«
    Diese Aussagen der Anwohner waren zurückgezogen worden. Niemand wollte etwas gesehen oder gehört haben. Lunau hatte den Tatort inspiziert. Eine Nebenstraße der Via Bologna , die an eine Schwimmhalle führte. Grünstreifen und große Mehrfamilienhäuser. In jener Nacht schliefen alle tief und fest, niemand kam spät aus der Kneipe, niemand stand am Fenster und rauchte, niemand führte den Hund aus, niemand hatte eine so schwache Blase, dass er in der Nacht rausmusste und zufällig einen Blick durchs Küchenfenster warf.
    »Es ist für mich unzweifelhaft, dass etwas vertuscht wird«, sagte Lunau. »Ich frage mich nur, ob das Ganze ein dummer Zwischenfall war oder eine gezielte Aktion. Am Freitagmorgen habe ich dem Prozess beigewohnt, und am Abend hat man versucht, mich anzufahren.«
    Palombo schaute verblüfft: »Ein Anschlag ?« Er schüttelte den Kopf. »So weit gehen die nicht. Einschüchterungsversuche ja, aber noch einen Totschlag können sie sich nicht leisten. Brauchen sie auch nicht. Sie halten sich für unantastbar. Solange die Polizei dicht hält, haben wir kaum eine Chance.«
    »Aber vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen Di Natale und Marco.«
    »Wieso?«
    »Weil in dem Auto, das mich attackiert hat, Di Natale saß.«
    »Was?«
    Der Anwalt verzog das Gesicht. »Das ergibt gar keinen Sinn.«
    »Kannten Sie Di Natale?«
    »Vom Theaterabonnement. Wie man sich in Ferrara eben kennt. Di Natale war ein untadeliger Kerl. Amanda hat mich auch schon nach einer Verbindung gefragt. Es gibt keine. Außer, dass Marco bei Silvia in die Klasse ging.«
    Lunau nickte. »Amanda ist auch ein Bindeglied. Sie war Marcos Freundin, Silvias Schülerin und hatte am Vorabend von Di Natales Tod bei ihm zu Abend gegessen.«
    »Gemeinsam mit Ihnen. Das ist viel zu vage. Ferrara ist klein – auf derart oberflächlichem Niveau gibt es zwischen allen Einwohnern Verbindungen.«
    Lunau verabschiedete sich.
    Palombo gab ihm die Hand. »Wann immer Sie eine Frage haben – kommen Sie zu mir. Ich habe hier in Ferrara nichts mehr zu verlieren.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich gelte als Nestbeschmutzer und unbelehrbarer Kommunist.«
    »Und? Sind Sie das?«
    »Nestbeschmutzer oder Kommunist?«
    Lunau sah sein verschmitztes Grinsen.
    Palombo winkte ab und lachte. »War nur ein Scherz. Ich bin beides.«
    Kaum stand Lunau auf der Straße, war das angenehme Gefühl, das Palombo ausgelöst hatte, verpufft. Er war keinen Schritt weitergekommen. Es gab wohl keine Verbindung zwischen Marco und Di Natale. Vito hatte sich offensichtlich das Leben genommen. Warum, wusste niemand.
31
    Krasnodar ist die Hauptstadt der gleichnamigen Region, Provinzhauptstadt einer ehemaligen Sowjetrepublik. Einst berüchtigtes Kriegsgefangenenlager. Mit ihren 700 000 Einwohnern, den Industrieanlagen und den Plattenbausiedlungen, die einen nicht existenten Stadtkern einschnüren, wirkt sie ähnlich trostlos wie die nach ihr benannte Straße in Ferrara. Wohnblöcke aus den siebziger Jahren, dazwischen sterile Grünflächen. Wer in der Viale Krasnodar wohnte, war in Ferrara stigmatisiert. Nirgendwo waren die Mieten billiger, nirgendwo vermutete man mehr Arbeitslose, Trunksüchtige und Kleinkriminelle. In den neunziger Jahren wurden dann die beiden Wolkenkratzer am Bahnhof von Immigranten, vor allem aus Schwarzafrika, kolonialisiert. Und seitdem gilt die Viale Krasnodar als rehabilitiert.
    Aber nicht die Viale Krasnodar war Schuld an der Trostlosigkeit, die von Dany Bellinis Behausung ausging. Auch nicht der Betonquader

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