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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Canale Boicelli angetrieben worden sein. Das Nordtor zum Po war zwischen Donnerstag und Samstag geschlossen, keine Schiffspassage.«
    »Und direkt vom Betonkai an der Schleuse?«
    »Der ist rund um die Uhr taghell erleuchtet, unsere Kollegen sitzen oben in der Steuerungsanlage, sie hätten ihn sehen müssen. Di Natales Leiche muss aus dem Canale Boicelli angeschwemmt worden sein, am Samstagmorgen, zwischen sieben und acht Uhr.«
    Lunau betrachtete den hageren Mann, der sich die Nase mit dem Ärmel seiner geflickten Jacke abwischte.
    »Ich muss los.«
    »Eine Frage noch: Was war Di Natale für ein Mensch?«
    Rabuffo starrte ins Leere. »Er war ein Träumer, aber beliebt, und bei der Arbeit absolut zuverlässig.«
    »Glauben Sie, dass er sich umgebracht hat?«
    Wieder ein Achselzucken. »Er war Sizilianer.«
    »Was soll das heißen?«
    »Die können noch so aufgeräumt und zugänglich wirken, richtig in die Karten schauen lassen die sich nicht.«
    »Angenommen, man hätte ihn ermordet …«
    Serse Rabuffo schüttelte den Kopf. »So blöd kann keiner sein. Wenn einer eine Leiche verschwinden lassen will, dann wirft er sie nicht kurz vor einer Schleuse ins Wasser.«
    Rabuffo tippte sich zum Gruß an die Stirn und ging.
    »Hatte Di Natale etwas mit Marco Clerici zu schaffen?«
    Rabuffo drehte sich um. »Sie meinen den toten Jungen? Den habe ich nie mit ihm zusammen gesehen.«
    Rabuffo stieg den Deich hinab und holte ein Schlüsselbund aus der Tasche.
    Lunau rief ihm nach:
    »Wie weit kann die Leiche in fünfunddreißig Stunden getrieben sein?«
    »Schwer zu sagen. Da müsste man die Daten über die Fließgeschwindigkeit des Kanals auswerten.«
    »Ungefähr.«
    »Vielleicht drei Kilometer, vielleicht dreißig.«
    »Würden Sie sich die Daten für mich einmal anschauen?«
    Rabuffo stieg in sein Auto. Er hatte mit dem Kopf in eine Richtung gezuckt, die man kaum als Ja verstehen konnte. Lunau ging vom südlichen Schleusentor am Canale Boicelli entlang, um eine geeignete Stelle für einen Selbstmord zu suchen. Ein schwieriges Unterfangen. Hinter der Schleuse lag ein Industriegebiet, und danach führte der Kanal durch Äcker, Gewerbegebiete, Einkaufszentren, Wohngebiete und wieder Äcker. Die Ufer waren betoniert und überwuchert. Es gab keine Straße, nicht einmal einen Fußweg. Lunau arbeitete sich ein paar Kilometer durch die Wildnis, dann sah er ein, dass die Suche aussichtslos war.
29
    Dany nahm die Kurve in gemächlichem Tempo, und das war ihr Glück, denn plötzlich endete das schwarze Asphaltband an einer hellbeigen Wand, die in ständiger Bewegung war, auf und ab wippte und sich ruckweise verschob. Die Schafe am Rand der Herde drängten in eine bessere Position, und getrieben vom Hirtenhund, sprangen sie einfach über ihre Artgenossen oder versuchten, über die Leiber der anderen hinwegzukullern und in der sicheren Mitte des Pulks zu landen.
    Saudumme Viecher, dachte Dany, sie hatte Schafe nie leiden können, und sie mochte auch die beiden zotteligen Promenadenmischungen nicht, zwei Kreuzungen von Maremma-Hirtenhunden, die schwer wie Kälber waren, dämlich glotzten, mit ihren blütenweißen Zähnen aber spielend Frischlinge und Füchse rissen. Sie bremste und stellte den Wagen am Rand der Deichstraße ab. Die Herde ergoss sich wie ein Pilzbefall über die Deichkrone und die flussseitige Flanke.
    Danys Vater stand, obwohl es sonnig und warm war, in seinem olivgrünen Regenponcho, breitkrempigem Filzhut und Wollhose unten im Vorland. Aus seiner zerfurchten Haut ragten lange Bartstoppeln, die Augen waren blutunterlaufen, und über seine Schulter hing, an einem Lederriemen, seine Lieblingstrommel.
    »Hallo, Papa!«, rief Dany und kletterte die Böschung hinunter.
    Der Mann hob lustlos den Arm.
    »Ich habe dir etwas mitgebracht.« Sie winkte mit einem Paket, in das sie getrockneten Speck, frische Unterwäsche und ein Geldkuvert gewickelt hatte. Der Vater ließ den Speck unter seinem Poncho verschwinden. Die Wäsche und das Geld gab er zurück. Dany wusste, dass er es vorzog, seine Sachen im Fluss zu waschen. Auch wenn er das ohne großen Erfolg tat. Er stank wie eine Mischung aus Geißbock und Tippelbruder. Aber wieso wollte er jetzt auch kein Geld mehr?
    »Du brauchst es doch«, sagte Dany und versuchte, ihm das Kuvert in die Tasche des Ponchos zu stecken. Er schob ihre Hand mit einer derben Geste zurück und führte den abgespreizten Daumen zum Mund, weil er etwas vermisste.
    »Den Wein bekommst du später.«
    Wie hatte

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