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Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
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Zappaterras Sandgrube haben Sie beide versucht, mich umzubringen.«
    »Wieso sollten wir?«
    »Genau das will ich von Ihnen erfahren.«
    »Sie müssen mich verwechseln. Bitte rufen Sie jetzt Balboni an.«
    »Zuerst erzählen Sie mir, was genau passiert ist an jenem Donnerstagabend.«
40
    Am nächsten Tag stand es in fetten Lettern auf den Werbetafeln der Zeitungskioske: »Vizebürgermeister gesteht Mord«, titelte Il Tempo di Ferrara , das sich linksliberal nannte, das konservativeKonkurrenzblatt ging noch ein bisschen weiter: »Pirri ein Mörder. Wer regiert Ferrara?«
    Kaspar Lunau war plötzlich stadtbekannt, obwohl in keinem Artikel von ihm die Rede, nirgendwo sein Bild zu sehen war. Als er sich die wichtigsten Blätter geben ließ, spürte er den fragenden Blick des Zeitungshändlers. Als er das Giori betrat, das Café im Art-déco-Stil, das sich an die Flanke des Kastells schmiegte, verstummten die Gespräche der alten Männer, alle Augen waren auf ihn gerichtet. Lunau bestellte einen Cappuccino, setzte sich draußen an einen freien Tisch, zwischen die Touristen, die in Einkaufstüten und Reiseführern stöberten, und ließ sich die Frühlingssonne ins Gesicht scheinen. Balboni hatte ihn am Morgen in aller Ausführlichkeit vernommen, während Lunaus Flieger Richtung Berlin startete. Er hatte einen zusätzlichen Tag in Ferrara gewonnen. Aber er wusste nicht, ob er sich darüber freuen sollte.
    Die Artikel mixten Fakten und Spekulation zu abenteuerlichen Geschichten. Von Schmiergeldern war die Rede, vom Streit um eine Frau, von käuflichem Sex und Orgien am Fluss. Sogar von Verbindungen zum organisierten Verbrechen in Di Natales sizilianischer Heimat. »Vito Di Natale und Beppe Pirri. Statthalter der Mafia in Ferrara?« Eine Stellungnahme des Bürgermeisters wurde gefordert, eine öffentliche Fragestunde im Stadtrat und sogar Neuwahlen.
    Allerdings fanden sich auch präzise Informationen, über die nur der engste Ermittlerkreis verfügen konnte. Wenn überhaupt. Pirris desaströse Finanzlage wurde in allen Einzelheiten ausgebreitet, nicht einmal ein Auto habe er am Ende mehr besessen. Alles, was er besaß, besaß er auf Pump. Auf einem Foto sah man Beppe Pirri, mit verstruwweltem Lockenhaar und panischem Blick, auf dem Hof eines Gebrauchtwagenhändlers. Er stand vor einem weißen Geländewagen und reichte einem Mann im Anzug die Schlüssel. »Ausverkauf eines bürgerlichen Lebens«, war dieBildunterzeile. Ein Rätsel, wie all diese Informationen innerhalb einer Nacht den Weg aus dem Verhörraum aufs gedruckte Papier hatten finden können.
    Teilweise deckte sich die Rekonstruktion der Tat mit der Version, die Pirri Lunau erzählt hatte: Danach hatte er Di Natale am Donnerstagabend, um 19 Uhr 40 vor dessen Haus abgepasst. Er wusste von seinem Treffen mit Dany Bellini. Er wusste, dass Di Natale sich absetzen wollte. Für Pirri die letzte Gelegenheit, seinen Freund anzupumpen. Er fuhr ihn an den Fluss und bettelte ihn an. Wenigstens die 20 000 Euro, die Pirri für die Anmeldung zum Pokerturnier brauchte, sollte Di Natale ihm leihen. »Nur für dieses Wochenende. Am Montag bekommst du es zurück, ich bringe es dir persönlich, und wenn ich in die Dominikanische Republik fliegen muss.« Di Natale hatte für Pirri kein Ohr und stieg aus dem Wagen, um Dany zu treffen. Pirri folgte seinem Freund. Er beobachtete das Beziehungsdrama und erkannte seine Chance. Es würde für Di Natale kein neues Leben geben. Er brauchte das Geld nicht mehr. Aber als Di Natale zurück zum Auto kam, war er alles andere als zugänglich. Seine Verzweiflung schlug, als Pirri ihn bedrängte, in Wut um. Er machte sich lustig über seinen Freund, über seine Spielsucht, die Selbstlügen, in die er sich verstrickt hatte. Sie fuhren in der Gegend herum und stritten, der Streit eskalierte. Pirri stieß seinen Freund in den Kanal, setzte ihm nach und drückte ihn so lange unter Wasser, bis er sich nicht mehr bewegte. Der Koffer war an Land geblieben. Pirri nahm sich seine 20 000 Euro und verschwand.
    Und die Attacke auf Lunau? Er rührte in seinem Cappuccino, trank einen Schluck. Die Ziegelmauer, die den Wassergraben abschirmte, reflektierte das Sonnenlicht. Lunau lehnte sich an und spürte, wie die Wärme seine Muskeln entspannte. Winzige Kumuluswolken zogen gemächlich unter dem blauen Himmel dahin, ab und zu pfiff ein Mauersegler vorbei, umkurvte Zinnenund Balustraden des Kastells und verschwand in einer Schießscharte. Hatte er wieder

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