Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Acqua Mortale

Acqua Mortale

Titel: Acqua Mortale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Foersch
Vom Netzwerk:
Sicher, der Stil hier war ein anderer, und es winkte endlich eine politische Funktion …
    »Sie meinen eine finanzielle Zuwendung?«
    Der Sekretär zuckte entschuldigend mit den Achseln. »Wir sind eine große Organisation. Kosten sind unvermeidlich. Wie Sie sehen …«, er machte eine ausladende Geste, die das Mobiliar in dem engen Raum streifte, »… verprassen wir die Mittel nicht. Wir lieben Zweckmäßigkeit und Bescheidenheit. Aber unsere Partei ist jung. Sie verschmäht Schmiergelder und ist auf echte Freunde angewiesen.«
    Gasparotto nickte. »Gibt es eine Größenordnung, an der ich mich orientieren könnte?«
    »Das hängt, wie gesagt, ganz von Ihren Vorstellungen ab. Wir können mit zweistelligen Stimmenzuwächsen rechnen. Unsere Arbeit fällt auf fruchtbaren Boden, auch in der roten Emilia-Romagna, aber wenn Sie sicher in den Stadtrat kommen wollen, dann sollten Sie schon auf einem der ersten sechs Listenplätze stehen.«
    Gasparotto ließ den Kopf auf und ab wippen.
    »Eine Größenordnung?«, fragte er erneut.
    Der Parteisekretär wartete, bis das Gegröle wieder einen Spitzenpegel erreicht hatte, dann lehnte er sich über den Schreibtisch und flüsterte eine Zahl. Gasparotto schnellte in seinen Stuhl zurück. Das war also das neue Kapitel, das er in seinem Leben hatte aufschlagen wollen?
39
    Die Hütte machte einen verwahrlosten Eindruck. Sie lag auf einer schmalen Landzunge. Lunau schaute noch einmal auf die Landkarte. Kein Zweifel. Dies war das letzte eingezeichnete Magazzino . Die Fensterläden waren mit Brettern vernagelt, an der Tür hing eine verrostete Kette mit Vorhängeschloss. Die Rostspuren hatten sich auch auf das Holz der groben Bohlen geschlagen. Sie waren in den letzten Monaten sicher nicht bewegt worden. Aber einige der Schilfhalme, die vom Feldweg an die Hausmauer führten, waren abgeknickt. Von einem Tier oder einem Menschen.
    Lunaus Herzschlag beschleunigte sich. Dies war die sechzehnte Hütte, die er kontrollierte. Er hatte sich von Ferrara aus Richtung Osten gearbeitet, war mit dem Leihwagen über den Deich gefahren und hatte an jedem Magazzino haltgemacht. Die Magazzini waren schlichte eingeschossige Bauten, in denen bereits befüllte oder noch zu befüllende Sandsäcke lagerten, Schubkarren, Schaufeln, Schwimmwesten, Eimer und Spitzhacken. In den größeren auch Holzboote und aufblasbare Schwimminseln. Bei akuter Deichbruchgefahr sollten Mitarbeiter des Deichamts, aber auch zivile Anwohner, in diese Häuschen stürmen, Sandsäcke befüllen, Ketten bilden und mit den Sandsäcken Lecks abdichten. Denn sobald sich das Wasser irgendwo einen Weg durch eine Deichflankeoder auch über einen unterirdischen Tunnel gebahnt hatte und auf der Binnenseite an die Oberfläche drang, hatte es gewonnen. In Minutenschnelle würden die sogenannten Fontanazzi , nach dem Gesetz der verbundenen Röhren und mit dem Druck von Millionen Tonnen Flusswasser im Rücken, riesige Tunnel und Risse freisprengen. Deshalb mussten die kleinsten Sickerverbindungen sofort unterbunden werden, mit zentnerschweren Sandlasten.
    Lunau hatte den Wagen auf der Straße gelassen und sich in der Abendsonne über den Feldweg geschlichen. Wenn Gasparotto ihm ein Zeichen hatte geben wollen, dann musste Pirri sich hier versteckt halten. Aber warum hatte Gasparotto ihn verraten? War es nur ein unbewusster Reflex gewesen? So wie man zur Kontrolle auf ein Versteck schaut, um sicherzugehen, dass das versteckte Objekt nicht zu sehen war? Und gerade dadurch das Versteck verrät? Oder war das Ganze eine Falle?
    Der Wind sang leise am Hauseck und fing sich pfeifend an der  verrosteten Regenrinne. Lunau packte seinen Koffer aus. Schraubte das Richtmikrophon auf das Stativ und schloss es an den großen Digitalrekorder an. Dann setzte er den Kopfhörer auf und legte sich ins Schilf.
    Das Mikrophon hatte einen Aufnahmewinkel von nur zehn Grad, aber es war das empfindlichste, das auf dem legalen Markt zu haben war. Aus der Hütte war kein Laut zu hören, manchmal schossen Seeschwalben durch das Aufnahmepanorama und jagten schrille Schreie in Lunaus Ohren. Frösche quakten mit einem schnarrend-penetranten Geräusch. Lunau packte auch das kleine Mischpult aus, drosselte die hohen Töne und wartete. Ihn interessierten die tiefen Frequenzen. Je niedriger die Frequenz einer Schallwelle, desto leichter dringt sie durch feste Körper. Deshalb hört man die Bässe aus Autos und Kellern wummern, während der Rest der Musik verschluckt ist. Wenn sich

Weitere Kostenlose Bücher