AD ASTRA Buchausgabe 008 Der Schattenstern I
Ruinen, und Pox wusste, dass er hier extrem vorsichtig sein musste, wenn er nicht durch Kontakt mit einer starken Energiequelle beschädigt werden wollte.
Mit aller gebotenen Achtsamkeit machte sich Pox auf, in den Trümmern nach Hinweisen zu suchen, welche ihm dabei helfen würden, das Rätsel um die Sabotage zu lösen, doch schon nach drei Handgriffen war die Wahrscheinlichkeit, die sein Handlungsplanungsmodul ausgab, so stark gesunken, dass er die Arbeit abbrach: Es grenzte an Unmöglichkeit, in diesem Trümmerfeld verwertbare Hinweise zu entdecken. Er richtete sich wieder auf und ließ seinen Prozessor mehrere Möglichkeiten weiteren Handelns durchrechnen, doch keine konnte ein zufriedenstellendes Ergebnis vorweisen.
„Traurig, nicht wahr!“ sagte eine Stimme hinter ihm; er wandte sie herum und blickte auf eine Gestalt, die gerade mal halb so groß war wie er selbst, und die in einen ziemlich pompös wirkenden Schutzanzug gesteckt war. Durch den transparenten Helm hindurch konnte er eine Unmenge schwarzer Gesichtsbehaarung erkennen.
„Was ist traurig?“ fragte Pox, dessen Semantikmodul nicht nachvollziehen konnte, weswegen die Vokabel ‚traurig’ als Ausdruck eines inneren, emotional hochstehenden Bedauerns mit persönlicher Beteiligung hier eingesetzt wurde.
„Na, hier die Fusionshalle! Ich finde, keine Technik hat so etwas verdient! Erst schießen sie gegenseitig ihre Raumschiffe kaputt, nun sprengen sie auch noch die Energiegeräte!“
Pox’ Zentralprozessor war in der Lage, Querverbindungen zwischen verschiedenen Subprotokollen und –modulen zu erstellen, insofern war ihm nun klar, was sein Gegenüber sagte: Es gab immer wieder Lebewesen, die eine irrationale Emotionalität in Bezug auf eigentlich emotionslose Objekte wie beispielsweise Technik entwickelten – offensichtlich gehörte das kleine Wesen im Schutzanzug dazu.
„Darf ich mich vorstellen?“ fuhr es fort, ohne auf eine Erwiderung von Pox zu warten. „Ich heiße Sch’tr’puil’azk Zwei, und ich arbeite ja eigentlich in einer der Verteilerhallen! Aber ich konnte es nicht lassen, mir diese Katastrophe hier einmal anzusehen! Traurig, nicht wahr?“
Pox beschloss, eine zustimmende Geste zu machen, da er glaubte, eine Möglichkeit des Weiterermittelns gefunden zu haben: Sch’tr’puil’azk Zwei besaß offensichtlich mehr technischen Sachverstand als er selbst. Vielleicht konnte ihm das kleine Wesen, das er vom Planeten Eriboos stammend identifizierte, helfen, Spuren oder Hinweise in den Trümmern zu entdecken.
Indes betrachtete Sch’tr’puil’azk Zwei Pox und schien auf etwas zu warten; er fragte schließlich: „Darf ich nicht erfahren, wer Sie sind?“
Die Technik-Bindung des Arbeiters ging offensichtlich sogar so weit, dass er in Robotern individuelle Züge und eine Art Persönlichkeits-Äquivalent zu sehen glaubte. Pox, der durch die Behandlung von Mercurion wusste, wie man sich „möglichst individuell“ zu verhalten hatte, reagierte auch hierauf.
„Ich bin die Reparatur- und Wartungseinheit Z-O-88-4219, und…“
„Nein, das bist Du nicht!“ sagte Sch’tr’puil’azk Zwei sofort. Für einen Augenblick lieferten Pox’ Handlungsrechner keine Verhaltensanweisung. Er begann zu rechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit er bei seiner Identitätserstellung einen Fehler gemacht haben konnte.
„Doch, ich bin Reparatur…“ wiederholte er noch einmal, das Ziel verfolgend, durch Beharrlichkeit den Zweifel des Eriboosianers zu zerschlagen.
„Du hast auf Deiner linken Schulter ein militärisches Abzeichen, das ich als Symbol für Persönliche Adjutantionsdienste bei Hochrangigen identifiziere! Ich habe eine halbe Ewigkeit in der Kybernetik-Abteilung des Obelisken gearbeitet, bevor ich Energieverteiler-Meister von Halle 4 wurde!“
Noch immer konnten Pox’ Systeme keine Handlungs- oder Verhaltensweise aktivieren, stattdessen waren sie bemüht, die Informationen in das bestehende Datensystem zu integrieren. Obwohl Mercurion am Anfang ihrer Zusammenarbeit einige Versuche gemacht hatte, näheres über die Vergangenheit von Pox herauszufinden, war er gescheitert, und der Frachthändler hatte schließlich aufgehört, weiterzuforschen. Nun erhielt er hier in einer nebensächlichen Dialogsituation einen wesentlichen Hinweis auf seine eigene kybernetische Identität.
„Also erzähle mir bitte nicht, dass Du ein Reparatur- und Wartungsroboter bist, denn dafür sind Deine Potentiale viel zu hoch, als dass man Dich trotz der
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