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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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verstand, warum zwischendurch keine
Blumen auf ihrem Tisch standen, denn auch mein Vater hatte keine Vokabeln für
die Elementarteilchen zwischenmenschlicher Beziehungen.
    Fehlt dir denn nichts, manchmal, fing
meine Mutter am Abend wieder an. Sie nahm meine Hand in ihre und ich spürte,
wie meine Hände heiß wurden und feucht, und ich dachte an kaltes Wasser und
daran, was ich tun musste, damit sie mich losließ, und ich vergaß ihre Frage
und sagte, ich habe Hunger.
    Lenk nicht ab, sagte sie und ließ
meine Hand los. Ich wischte sie an meinem Pullover ab und fühlte mich schlecht
dabei, denn sie hatte es gesehen, und mit ihr hatte es nichts zu tun. Außer
mehr Zeit zum Lesen und einem besseren Organisationstalent fehlte mir nichts,
und das sagte ich ihr. Lass uns zum Chinesen gehen, sagte sie und ich dachte an
meinen Vater und die Polen und sagte, in China essen sie Hunde, und sie lachte
und sagte, ich weiß.
    Ich hielt mich seit Jahren fern von
den studentischen Grüppchen und jetzt, da sie panisch wurden, war ich froh,
nicht mitmachen zu müssen bei ihrem Spiel mit der Angst, denn ich hatte keine
und beherrschte die Regeln nicht. Die Prüfungen waren weit weg und ich bereitete
mich kaum darauf vor, denn ich las lieber Sterbeanzeigen und dachte an Bo.
    Meine Worte und Bo hätten den Hass der
anderen auf mich gerichtet, ich wäre die Personifizierung ihrer Angst geworden
und sie hätten ihre Freude daran gehabt, mich verbal hinzurichten.
    Was für ein Glück also, dass ich nicht
dazugehörte. Aber wie hätte ich meiner Mutter das erklären sollen, die neben
mir am See lag und aussah wie eine von ihnen, und die manchmal kicherte und
mich albern in die Seite knuffte.
    Sie liebte mich mit jedem Tropfen
ihres heißen Blutes, und so sagte ich gar nichts und saß am Montag wieder
entspannt in dem Café vor der Uni und hielt eine Zeitung vor mein Gesicht,
während um mich herum die akademische Welt zusammenbrach.

11
    Als ich mit dem Studium
fertig war, wusste ich nicht, was nun, und so begann ich eine Doktorarbeit bei
Professor Röslein, einem grauhaarigen Mittfünfziger mit randloser Brille,
dicken Gläsern und speckigem Hemdkragen.
    Sie sind gut und Ihr Kaffee auch,
hatte er gesagt. Er gab mir ein Thema und ein Zimmer neben seinem, stellte
einen Computer hinein und einen Schreibtisch und sagte, dann mal los, Ada, und
ich fragte ihn, wie, und er sagte, ganz einfach.
    Ich teilte mein Zimmer mit einem
anderen Doktoranden, der nicht viel sagte und bescheuert aussah, beides war
gut, denn so lenkte mich nichts ab von meiner Arbeit. Wolff, sagte er, als ich
hineinkam, und ich fragte, wo. Wolff schwieg und verzog das Gesicht.
    Danach hatte Wolff nicht mehr
gesprochen. Er haute verbissen mit den Fingern in die Tastatur seines Computers
und ich fragte mich, ob Wolff manisch war.
    Ich brachte Berge von Büchern aus der
Bibliothek in Wolffs und mein Zimmer und stapelte sie auf meinem Schreibtisch.
Dort standen sie und starrten mich an und mir fiel nichts ein zu meinem Thema.
Obwohl ich das machte, was ich immer wollte, fühlte es sich nicht anders an als
alles, was ich bisher getan hatte, und es ging nur schleppend voran.
    Ich lieh mir auch Bücher aus über die
Milchquote und silofreies Rohfutter und las über Schweinezucht und elektrisches
Melken. Ich versuchte mir Sorgen um die sinkenden Milchpreise zu machen und
ärgerte mich über die überteuerte Biomilch. Ich erkannte Treckermodelle an
ihrem Geräusch und las über die Unterschiede von Ackerland und Weideland und
beim Ökomist spürte ich mein Herz schlagen.
    Geht es voran, sagte Professor Röslein
und ich sagte, ja, und wir meinten verschiedene Dinge, aber das wusste er
nicht. Geben Sie es Wolff zum Lesen, sagte er und ich sagte, ja, und dachte,
niemals. Als die Tür zu war hinter ihm, sah ich Wolff an, der in die Tasten
haute, und verschwörerisch sagte ich, Wolff, aber er reagierte nicht.
    Mittags ging ich in ein kleines Café
in der Nähe der Universität, aß ein Schinkenbrötchen, trank einen Kaffee und
las die Todesanzeigen in der Zeitung. Ich dachte an die Würmer und die
schwarzen Frauen mit ihren Hüten über den benetzten Augen und an die Männer in
den Anzügen, die nur für Beerdigungen und Hochzeiten gekauft wurden, meistens
von ihren Frauen.
    Einmal stellte ich mich so dicht
hinter die Männer, dass mir der Geruch ihrer Anzüge in die Nase stieg. Es roch
muffig nach Schrank, vermischt mit dem seifigen Geruch von Rasierwasser und
chemischer Reinigung.
    Wie

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