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Ada liebt

Ada liebt

Titel: Ada liebt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Balschun
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noch drei zusätzliche Stuhlreihen aufstellen, damit alle Gäste
am Trauungsgottesdienst teilnehmen konnten. Ich war mit meinen Eltern dort und
wir kamen spät, weil mein Vater seine Krawatte nicht finden konnte, dann waren
alle Parkplätze besetzt, und als wir nun die Kirche betraten, gab es keine
Plätze und keine Gesangbücher mehr und der Küster stellte Stühle auf.
    Ganz vorne stand Leo. Er bemühte sich,
lässig und ungerührt zu wirken, aber seine Nervosität merkte man ihm an. Leo
trug einen schwarzen Anzug, und hätte er sich nicht diese kleine weiße Rose ins
Knopfloch gesteckt, hätte man ihn von den Trauergästen sonntags auf dem
Friedhof nicht unterscheiden können.
    Ich ließ meine Augen über die
Bankreihen gleiten und studierte die Köpfe. Bo kommt auch, hatte Elisabet
gesagt. Jemand drückte mir ein Gesangbuch in die Hand und unwillkürlich dachte
ich an Tante Rosi. Meine Mutter sah mich lächelnd an, und ich wusste, dass sie
auch daran dachte.
    Wie könnt ihr nur, hatte mein Vater
gesagt und jetzt sagte er, dort vorne sind noch drei Plätze. Er schob uns durch
das Murmeln und Raunen vieler Stimmen durch die Kirche, und wir setzten uns in
die fünfte Reihe.
    Was für ein Glück, sagte meine Mutter
und mein Vater sagte, so spät waren wir gar nicht, und meine Mutter verdrehte
genervt die Augen. Ich wusste, dass sie es hasste, zu spät zu kommen, und dass
mein Vater es nie pünktlich schaffte, denn etwas fehlte immer, der Schlüssel,
die Brille, ein Hemdknopf oder die Krawatte.
    Wenn ich mich nicht um alles selbst
kümmere, sagte meine Mutter und mein Vater nahm sie in den Arm, wenn ich dich
nicht hätte. Sie schmiegte sich an ihn und als sie sein Hemd berühren wollte,
sagte mein Vater, und, wo hast du meine Krawatte hingelegt? Da berührte sie
sein Hemd nicht mehr und gab keine Antwort und er merkte es nicht.
    Was hat er für eine Tussi bei sich,
sagte mein Vater plötzlich und meine Mutter stieß ihn unsanft in die Seite.
Wer, fragte ich und sie sagte, ach niemand, und ich wusste, dass es um Bo ging,
und hörte mein Herz schlagen. Ich höre es schlagen, sagte ich zu meiner Mutter
und sie versuchte, nicht in die Richtung zu sehen, in der Bo saß.
    Da sitzt er, sagte mein Vater und
zeigte auf einen blonden Hinterkopf, der gerade etwas in das Ohr neben sich
flüsterte. So eine Landpomeranze passt doch auch besser zu ihm als meine Ada,
sagte mein Vater zufrieden und meine Mutter sagte, so eine hässliche
Dauerwelle, sie nahm meine Hand und drückte sie und ich wusste nicht, was
gerade am schlimmsten war.
    Ich starrte auf Bos Hinterkopf, die
vier Leute vor uns auch, und dann drehten sie sich fragend zu meinem Vater um.
Er hat Schweine, erklärte mein Vater, und sie drehten irritiert ihre Köpfe
wieder nach vorn.
    Die Dauerwelle neben Bo legte ihre
Hand auf seine Schulter und Bo strich mit seiner Wange darüber. Es scheint zu
jucken, sagte mein Vater, das sind bestimmt Stallflöhe, und meine Mutter sagte,
seid still, da kommt die Braut. Es wurde ganz leise in der Kirche und die Orgel
schlug an.
    Alle Köpfe drehten sich nach hinten
und Elisabet betrat die Kirche. Sie schritt langsam und bedächtig den Gang
zwischen den voll besetzten Bänken entlang. Sie ging allein und hielt den Kopf
gesenkt.
    Elisabet hatte keine Eltern. Sie war
in einem Heim aufgewachsen, nachdem ihre Eltern bei einem Autounfall ums Leben
gekommen waren. Sie hatte den Unfall als einzige überlebt, da war sie drei
Jahre alt gewesen. Mein Vater hatte ihr angeboten, sie zum Altar zu führen,
aber das wollte sie nicht.
    Diesen Weg muss ich alleine gehen,
hatte sie gesagt, und nun ging sie mit gesenktem Kopf an den vielen Menschen
vorbei, die ihr Kleid sahen, aber nicht sie. Ich wollte sie aus dem Gang
herausreißen, hinein in die Bankreihe und neben mich auf den Platz drücken, an
meine wortlose Seite, und sie festhalten und beschützen vor allen Leos dieser
Welt.
    Sie aber ging an mir vorbei wie an
allen anderen, ohne den Kopf zu heben und ohne ein Geräusch zu verursachen. Die
stille Elisabet, sagte meine Mutter leise, es ist, als ob sie schwebt, und mein
Vater flüsterte, unsere kleine Schweinespeckschwarte, wisst ihr noch? Und ich
erinnerte mich an den Tag, als meine Grundschullehrerin Frau Hammer Elisabet
neben mich gesetzt hatte, damit sie mehr aus sich herauskäme und ich wiederum
mehr in mich hineinginge, und mein Vater lächelte mich leise an. Sie ist nett,
hatte meine Mutter damals gesagt, nachdem ich heftig protestiert hatte,

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