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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Nein, das können die doch nicht von dir denken.«
    »Gewiß nicht, aber auch Unschuldige werden manchmal schikaniert, verdächtigt und mit Fragen gequält. Es kommt sogar vor, daß man sie einsperrt und vor Gericht stellt. Doch, das hat’s schon gegeben. Und ich bin nun mal gestern abend als letzter gegangen. Ich hatte noch etwas Dringendes aufzuarbeiten, und deshalb bin ich länger geblieben. Darum hab’ ich dich ja angerufen, sobald ich’s erfuhr. Ich hielt es für ratsam, der Polizei zu sagen, daß ich zur gewohnten Zeit daheim war.«
    »Ja natürlich, Darling, das war sehr vernünftig, du hast ganz recht. Ich bin froh, daß du daran gedacht hast.«
    Er war ein bißchen überrascht, daß seine Bitte, für ihn zu lügen, sie so gar nicht bedrückte, ihr überhaupt kein schlechtes Gewissen machte. Vielleicht taten sich Frauen ja mit dem Lügen leichter, vorausgesetzt, sie glaubten, es diene einem guten Zweck. Er hätte also gar nicht zu befürchten brauchen, daß er sie in Gewissensnöte stürzte. Julie wußte genausogut wie er, wo ihrer beider Prioritäten lagen.
    »Hat sich schon jemand gemeldet?« fragte er. »Ich meine von der Polizei?«
    »Ja, es hat jemand angerufen, ein Sergeant Robbins. Er wollte bloß wissen, um welche Zeit du gestern abend nach Hause gekommen bist. Sonst nichts. Er hat mir auch nichts weiter gesagt, nicht einmal, daß Mr. Gerard tot ist.«
    »Und du hast dir auch nicht anmerken lassen, daß du was weißt?«
    »Aber natürlich nicht. Du hattest mich ja gewarnt. Ich hab’ ihn zwar gefragt, worum es sich denn eigentlich handelt, aber darauf sagte er bloß, das würdest du mir alles erklären, wenn du heimkommst. Dir ginge es gut, meinte er noch, und ich brauchte mir keine Sorgen zu machen.«
    Die Polizei hatte also wirklich blitzschnell gehandelt. Aber damit hatte Bartrum gerechnet. Sie hatten ihm zuvorkommen wollen und sich erkundigt, bevor er sich ein Alibi zurechtschneidern konnte.
    »Da siehst du’s ja selbst, Darling«, sagte er. »Es war wirklich ratsam, vorzubeugen und auf der Hut zu sein.«
    »Natürlich war es das. Aber du glaubst doch nicht ernsthaft, daß Mr. Gerard ermordet wurde?«
    »Sie wissen anscheinend noch nicht, wie er gestorben ist. Mord wäre eine Möglichkeit, aber eben nur eine. Es könnte auch ein Herzinfarkt gewesen sein, und jemand hat ihm die Schlange um den Hals gelegt, als er bereits tot war.«
    »Darling, wie furchtbar! Schrecklich, daß ein Mensch so was fertigbringt. Nein, wie niederträchtig!«
    »Denk nicht darüber nach«, sagte er. »Mit uns hat das nichts zu tun. Es berührt uns nicht. Und wenn wir bei unserer Geschichte bleiben, dann kann uns überhaupt niemand etwas anhaben.«
    Julie hatte natürlich keine Ahnung, wie sehr es ihn eben doch berührte. Dieser Tod war ihre Rettung. Sydney hatte ihr verschwiegen, daß seine Stelle in Gefahr war, und auch von seinem Haß auf Etienne oder seiner Furcht vor ihm hatte er ihr nichts erzählt. Teils wollte er sie nicht beunruhigen, in der Hauptsache aber, das war ihm klar, hatte sich sein Stolz dagegen gesträubt. Es kam ihm darauf an, daß Julie an seinen Erfolg glaubte und daran, daß er im Verlag geachtet, ja unentbehrlich war. Jetzt brauchte sie die Wahrheit nie zu erfahren. Er beschloß, ihr lieber auch nichts von seinem Gespräch mit Dauntsey zu sagen. Warum sie unnötig aufregen? Nun würde doch alles gut werden.
    Wie gewohnt gingen sie nach dem Abendessen zusammen hinauf, um nach ihrem schlafenden Töchterchen zu sehen. Das Kinderzimmer auf der Gartenseite hatte er mit Julies Hilfe hergerichtet. Als er die Kleine das erstemal von der Korbwiege in das Gitterbettchen umquartiert fand, wo sie ohne Kissen auf dem Rücken lag, hatte Julie erklärt, dies sei die von Medizinern empfohlene Position. Die Begründung, daß dies geschah, »um Krippentod zu vermeiden«, lieferte sie nicht mit, aber sie wußten beide, was sie meinte. Daß dem Kind etwas zustoßen könne, war unausgesprochen ihre größte Angst. Sydney streckte die Hand aus und berührte das flaumige Köpfchen. Es war schier unfaßbar, daß Menschenhaar so weich und eine Kopfhaut so verletzlich sein konnte. Im Überschwang seiner Liebe sehnte er sich danach, das Kind aufzunehmen und an seine Wange zu drücken, ja beide, Mutter und Tochter, in einer Umarmung zu umfangen, die stark, ewig und unauflöslich war und sie vor jeglichem Schrecken der Gegenwart ebenso beschützte wie vor allem, was ihnen noch bevorstand.
    Dieses Haus war sein Königreich.

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