Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
fünfzehn an der Treppe am Pier von Greenwich getroffen, die versteckt zwischen einer hohen Mauer und dem Steg eines Bootshauses zur Themse hinunterführt. Es war ein sehr abgelegener Platz, der sich folglich vorzüglich für ein solches Treffen eignete. Es gab dort sogar einen handtuchgroßen, allerdings ziemlich steinigen Strand, und auch als er schon auf dem Rückweg und ein ganzes Stück vom Fluß entfernt war, hörte er noch, wie die kleinen Wellen plätschernd verebbten, wie die Kiesel knirschten und klackten und die Flut gurgelnd zurückwich. Gabriel Dauntsey war zuerst dagewesen, hatte sich aber nicht umgedreht, als Bartrum sich von hinten näherte. Als er das Wort an ihn richtete, war seine Stimme sanft, und fast klang es so, als wolle er sich entschuldigen.
»Ich dachte, wir sollten mal miteinander reden, Sydney. Ich hab’ gesehen, wie Sie gestern abend nach Innocent House rübergegangen sind. Mein Badezimmerfenster geht nämlich zur Innocent Lane hin. Ich habe zufällig hinausgesehen und Sie erkannt. Das war etwa um zwanzig vor sieben.«
Sydney hatte gewußt, was zur Sprache kommen würde, und jetzt, als es heraus war, fühlte er fast so etwas wie Erleichterung. Eindringlich, damit Dauntsey ihm auch glaubte, sagte er: »Aber ich bin doch sofort wieder rausgekommen! Das schwöre ich. Wenn Sie gewartet hätten, wenn Sie nur noch eine Minute länger am Fenster geblieben wären, dann hätten Sie mich gesehen. Ich bin nur bis zum Empfang gegangen, keinen Schritt weiter. Da hab’ ich nämlich schon den Mut verloren. Ich hab’ mir gesagt, daß es doch keinen Zweck hätte und daß er sich weder durch Argumente noch durch Bitten würde umstimmen lassen. Es hätte nichts genützt, er hätte sich ja doch nicht erweichen lassen. Ich schwöre Ihnen, Mr. Dauntsey, daß ich ihn gestern abend nach Verlassen meines Büros nicht mehr gesehen habe.«
»Stimmt, es hätte nichts genützt. Gerard ließ sich durch Bitten nicht erweichen. Genausowenig«, setzte er hinzu, »wie durch Drohungen.«
»Wie hätte ich ihm drohen können? Womit? Ich war doch völlig machtlos. Er konnte mich von einer Woche auf die andere rausschmeißen, und ich hätte nichts dagegen tun können. Wenn ich ihm noch mehr auf die Nerven gegangen wäre, dann hätte er mir höchstens eines dieser raffiniert formulierten Zeugnisse geschrieben, die man nicht anfechten kann, die aber dafür sorgen, daß einen kein Mensch mehr einstellt. Er hatte mich doch in der Hand. Und ich sag’s ganz ehrlich: Ja, ich bin froh, daß er tot ist. Wenn ich gläubig wäre, dann würde ich niederknien und Gott dafür danken, daß er tot ist. Aber ich habe ihn nicht umgebracht. Das müssen Sie mir einfach glauben. Wenn Sie’s nicht tun, Mr. Dauntsey, ja du lieber Gott, wer denn dann?«
Die Gestalt neben ihm regte sich nicht und sprach auch kein Wort, sondern blickte nur starr hinaus auf das öde, schwarzglänzende Flußbett. Schließlich fragte Bartrum kleinlaut: »Was werden Sie jetzt tun?«
»Nichts. Ich mußte Sie sprechen, um herauszufinden, ob Sie’s der Polizei erzählt haben oder es noch tun wollen. Man hat mich selbstverständlich gefragt, ob ich jemanden nach Innocent House hätte hineingehen sehen. Das wurden wir ja alle gefragt. Ich habe gelogen. Ja, und ich habe vor, weiter zu lügen, doch das wäre sinnlos, wenn Sie bereits geredet hätten oder womöglich die Nerven verlieren.«
»Nein, nein, ich habe denen nichts erzählt. Ich hab’ gesagt, ich sei zur gewohnten Zeit daheim gewesen, kurz vor sieben. Sobald ich erfuhr, was passiert war, habe ich meine Frau angerufen, noch bevor die Polizei kam, und ihr gesagt, sie soll bestätigen, daß ich beizeiten zu Hause war, falls jemand anruft und sich erkundigt. Ich hatte Glück, daß ich als erster im Betrieb war. Da hatte ich das Büro noch für mich allein. Es war mir zuwider, meine Frau zu einer Lüge anstiften zu müssen, aber sie fand es nicht weiter schlimm. Sie weiß ja, daß ich unschuldig bin und nichts getan habe, wofür ich mich schämen müßte. Heute abend werde ich ihr die Zusammenhänge erklären. Sie wird es verstehen.«
»Sie haben Ihre Frau angerufen, bevor Sie überhaupt wußten, daß es sich vielleicht um Mord handelte?«
»Ich habe von Anfang an auf Mord getippt. Die Schlange, der halbnackte Körper. Wie konnte das ein natürlicher Tod sein?« Und dann setzte er schlicht hinzu: »Danke, daß Sie mich nicht verraten haben, Mr. Dauntsey. Das werde ich Ihnen nie vergessen.«
»Sie brauchen
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