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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Untersuchung war völlig korrekt. Juristisch ist der Fall damit abgeschlossen.«
    Sie gingen schweigend auf und ab. Schwester Agnes rang offenbar um eine Entscheidung. Er merkte, oder bildete es sich vielleicht auch nur ein, daß ihr Arm, der kurz den seinen streifte, vor Anspannung ganz verkrampft war. Als sie endlich sprach, klang ihre Stimme schroff und abweisend.
    »Ich kann Ihre Neugier befriedigen, Commander. Meine Schwester starb, weil die beiden Menschen, die ihr am meisten bedeuteten, ja vielleicht die beiden einzigen, die ihr überhaupt je etwas bedeuteten, sie verlassen hatten, und zwar endgültig. Ich habe in der Woche, bevor sie sich umbrachte, mein Gelübde abgelegt; Henry Peverell starb acht Monate früher.«
    Kate hatte bisher geschwiegen. Aber jetzt fragte sie: »Wollen Sie damit sagen, daß Ihre Schwester in Mr. Peverell verliebt war?«
    Schwester Agnes sah sich so erstaunt nach ihr um, als habe sie sie bisher noch gar nicht bemerkt. Dann senkte sie den Kopf und preßte die Arme mit einem kaum wahrnehmbaren Schaudern noch fester gegen die Brust. »Sie war die letzten acht Jahre seines Lebens seine Geliebte. Sie nannte es Liebe, für mich war es eine Sucht. Ich weiß nicht, wie er es genannt hat. Sie haben sich nie zusammen in der Öffentlichkeit gezeigt. Auf sein Betreiben wurde die Affäre streng geheimgehalten. Das Zimmer, in dem sie miteinander schliefen, ist das, in dem sie gestorben ist. Ich wußte immer, wann sie zusammengewesen waren. Das waren die Abende, an denen sie Überstunden machte, angeblich. Wenn sie heimkam, konnte ich ihn an ihr riechen.«
    »Aber warum diese Geheimniskrämerei?« wandte Kate ein. »Wovor hatte er denn Angst? Sie waren doch beide nicht verheiratet, und sie waren erwachsene Menschen. Was sie miteinander hatten, ging doch außer ihnen selbst niemanden was an.«
    »Wenn ich sie das gefragt habe, dann hatte sie ihre Antworten immer parat – oder besser gesagt seine. Sie sagte, er wolle nicht noch einmal heiraten, um dem Andenken seiner Frau treu zu bleiben, außerdem sei ihm der Gedanke zuwider, daß seine Privatangelegenheiten Gegenstand von Büroklatsch würden, und seine Tochter würde unter einer offiziellen neuen Beziehung leiden. Sie hat all seine Entschuldigungen gelten lassen. Ihr genügte es, daß er offenbar brauchte, was sie zu geben hatte. In Wirklichkeit war es vielleicht ganz einfach so, daß sie ausreichte, um ein gewisses Bedürfnis zu befriedigen, aber nicht schön oder jung oder reich genug war, als daß es ihn gereizt hätte, sie zu heiraten. Und für ihn hat, denke ich, das Versteckspiel der Affäre noch einen extra Kitzel gegeben. Vielleicht hat ihm das ja gerade Spaß gemacht, sie zu demütigen, die Grenzen ihrer Hingabe auszuloten, sich in diese triste kleine Kammer raufzustehlen wie ein viktorianischer Brotherr, der sich mit seinem Dienstmädchen verlustiert. Es war nicht die Sündhaftigkeit des Verhältnisses, die mich am meisten bedrückte, nein, am schlimmsten fand ich, daß es so vulgär war.«
    Soviel Offenheit, ein so rückhaltloses Vertrauen hatte Dalgliesh nicht erwartet. Aber vielleicht war das so erstaunlich auch wieder nicht. Schwester Agnes hatte ihr selbstauferlegtes Schweigen monatelang erduldet, und nun entlud sich zwei Fremden gegenüber, die sie nie wiederzusehen brauchte, all die aufgestaute Bitterkeit in ihr. »Ich war die Ältere von uns beiden«, sagte sie. »Aber nur um achtzehn Monate. Wir standen uns immer sehr nahe. Dann kam er und hat das zerstört. Sie konnte nicht beides haben, ihn und ihre Religion, also hat sie sich für ihn entschieden. Sie hat unser Vertrauensverhältnis zerstört. Wie hätten wir einander noch vertrauen können, wenn eine den Gott der anderen verachtete?«
    »Sie hat Ihre Berufung nicht befürwortet?« fragte Dalgliesh.
    »Sie hatte kein Verständnis dafür. Und er auch nicht. Er sah es als eine Flucht vor der Welt und vor der Verantwortung, vor Sexualität und Bindung. Und was er glaubte, das hat sie auch geglaubt. Sie wußte natürlich schon seit einiger Zeit, was ich vorhatte. Wahrscheinlich hoffte sie, daß kein Orden mich würde haben wollen. Es gibt tatsächlich nicht viele Gemeinschaften, die gern Postulanten mittleren Alters nehmen. Ein Kloster ist nicht als Zufluchtsstätte für Desillusionierte und Gescheiterte gedacht. Und Sonia wußte natürlich auch, daß ich mit keinen praktischen Fähigkeiten aufwarten konnte. Ich war – bin – Buchrestauratorin. Die Ehrwürdige Mutter beurlaubt

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