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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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über den Hauptweg hinunter zum terrassierten Rosengarten. Die Beete waren in drei langgestreckten Reihen angeordnet, zwischen denen parallel zueinander Kieswege verliefen, einer jeweils vier Stufen unterhalb des anderen. Sie würden mit knapper Not zu dritt nebeneinander hergehen können, erst den obersten Weg entlang, dann die Stufen hinunter und über den zweiten Weg zurück zur nächsten Treppe und dann noch einmal die vierzig Meter auf dem untersten Weg, bevor es wieder umkehren hieß, eine freudlose Promenade, die von den Klosterfenstern aus bequem verfolgt werden konnte. Dalgliesh fragte sich, ob es hinter dem Kloster nicht vielleicht einen zweiten Garten gäbe, in dem man ungestörter gewesen wäre. Aber selbst wenn es einen gab, waren sie dort offenbar nicht erwünscht.
    Schwester Agnes ging zwischen ihnen, und mit ihrem hoch erhobenen Kopf war sie fast so groß wie Dalgliesh, der immerhin stolze ein Meter achtundachtzig maß. Die Nonne trug eine lange graue Jacke über dem Habit und hatte, wie um sich zu wärmen, die Hände über Kreuz in die Armlöcher geschoben. Mit den verdeckten Händen und den eng an den Körper gepreßten Armen erinnerte sie Dalgliesh unangenehm an alte Bilder von Geisteskranken in Zwangsjacken. Es war, als ginge sie wie eine Gefangene unter Bewachung zwischen ihnen, und er hätte gern gewußt, ob es etwaigen heimlichen Beobachtern hinter den hohen Fenstern tatsächlich so erschien. Der Gedanke, der natürlich höchst peinlich war, kam anscheinend auch Kate, denn plötzlich blieb sie mit einer leise gemurmelten Entschuldigung zurück, ging in die Hocke und tat so, als müsse sie sich die Schuhe zubinden. Als sie die beiden wieder einholte, hielt sie sich an Dalgliesh’ Seite.
    Es war Dalgliesh, der das Schweigen brach. »Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie uns empfangen. Es tut mir aufrichtig leid, daß wir Sie belästigen müssen, besonders, da wir Sie obendrein noch in Ihrer Trauer stören. Aber ich muß Ihnen zum Tod Ihrer Schwester ein paar Fragen stellen.«
    ›»Mich in meiner Trauer stören.‹ Das hat mir die Mutter Oberin schon nach dem Telefonat mit Ihnen ausgerichtet. Ich nehme an, das ist eine Formulierung, die Sie oft benutzen müssen, Commander.«
    »Aufdringlichkeit und unliebsame Störungen sind bei meiner Arbeit leider manchmal nicht zu vermeiden.«
    »Und haben Sie spezielle Fragen, von denen Sie hoffen, daß ich sie beantworten kann, oder ist das eine eher allgemeine Störung?«
    »Ein bißchen von beidem.«
    »Aber Sie wissen doch, wie meine Schwester gestorben ist. Sonia hat sich umgebracht, daran besteht gar kein Zweifel. Sie hat vor Ort einen Abschiedsbrief hinterlassen. Außerdem hat sie am Morgen ihres Todestages noch einen Brief an mich abgeschickt. Aber da sie die Nachricht offenbar keines Schnellportos für wert hielt, bekam ich ihn erst drei Tage später.«
    »Würde esIhnen etwas ausmachen, mir zu erzählen, was drinstand?« fragte Dalgliesh. »Den Inhalt der Erklärung, die für den Coroner bestimmt war, kenne ich natürlich.«
    Ein paar Sekunden, die den beiden Beamten freilich viel länger erschienen, sagte Schwester Agnes nichts, und dann sprach sie so monoton wie jemand, der ein auswendig gelerntes Stück Prosa herunterleiert. »Nun, der Brief lautete folgendermaßen: ›Ich bin im Begriff, etwas zu tun, das in Deinen Augen als Sünde erscheinen muß. Aber bitte versuche zu verstehen, daß für mich das, was Du als sündhaft ansiehst, richtig und natürlich ist. Wir haben verschiedene Wege gewählt, doch sie führen zum gleichen Ziel. Nach so vielen Jahren des Zauderns kann ich mich wenigstens für den Tod ganz klar entscheiden. Bitte trauere nicht zu lange um mich. Gefühle wie Trauer sind Luxus. Ich hätte mir keine bessere Schwester wünschen können.‹« Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Ist es das, was Sie hören wollten, Commander? Für Ihre gegenwärtigen Ermittlungen dürfte es wohl kaum relevant sein.«
    »Wir müssen alles in Betracht ziehen, was in den Monaten vor Gerard Etiennes Tod geschah und was auch nur den geringsten Bezug dazu gehabt haben könnte. Der Selbstmord Ihrer Schwester fällt auch darunter. In den literarischen Kreisen Londons und auch in Innocent House wurde anscheinend gemunkelt, daß Gerard Etienne sie in den Tod getrieben hat. Falls es so war, könnte es sein, daß ein Freund von ihr – ein sehr guter Freund – ihn dafür bestrafen wollte.«
    » Ich war Sonias beste Freundin«, sagte sie. »Außer mir

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