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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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sprach, führte sie in ein kleines Zimmer rechts von der Halle und bat sie mit etwas theatralischer Geste, Platz zu nehmen. Dalgliesh überlegte, ob sie am Ende taubstumm sei.
    Der Raum war spärlich möbliert, wirkte aber nicht unfreundlich. Auf dem polierten Mitteltisch stand eine Vase mit späten Rosen, und vor den Doppelfenstern waren zwei mit verschossenem Cretonne bezogene Sessel plaziert. Rechts vom Kamin hing ein großes Kruzifix in Holz und Silber, das erschreckend realistisch war. Dalgliesh tippte auf einen spanischen Meister; vermutlich hatte das Kreuz früher in einer Kirche gehangen. Gleich über dem Kamin hing ein Ölbild der Madonna, die dem Jesuskind eine Weintraube reicht, und Dalgliesh brauchte eine Weile, bevor er darin eine Kopie von Pierre Mignards La Vierge â la Grappe erkannte. Auf einem Bronzetäfelchen am unteren Rahmenrand war der Name des Stifters zu lesen. An der rechten Wand waren in uneinladend starrer Formation vier Refektoriumsstühle aufgereiht; Dalgliesh und Kate blieben lieber stehen.
    Sie brauchten nicht lange zu warten, bevor die Tür sich öffnete und eine Nonne hereinkam, die forsch und selbstsicher auf sie zuging und ihnen die Hand entgegenstreckte.
    »Commander Dalgliesh und Inspector Miskin, nicht wahr? Willkommen in St. Anne’s. Ich bin Mutter Mary Clare. Wir haben miteinander telefoniert, Commander. Darf ich Ihnen und Ihrer Begleiterin einen Kaffee anbieten?«
    Die Hand, die kurz die seine berührte, war mollig, aber kühl. Er sagte: »Nein danke, Frau Oberin. Sehr freundlich von Ihnen, aber wir werden Sie hoffentlich nicht zu lange stören.«
    Sie wirkte überhaupt nicht einschüchternd. Die kurze, stämmige Gestalt hatte dank des langen graublauen Habits mit dem Ledergürtel durchaus etwas Würdevolles, aber sie bewegte sich darin so ungezwungen, als wäre das offizielle Gewand nur ein einfaches Arbeitskleid. Ein schweres Kreuz aus dunklem Holz hing ihr an einer Kordel um den Hals, und ihr Gesicht, das blaß und weich war wie Kuchenteig, quoll babyhaft pausbäckig aus dem straff sitzenden Schleier. Aber die Augen hinter der Nickelbrille waren klug, und der kleine Mund zeugte, ungeachtet der feingeschwungenen, weichen Lippen, von kompromißloser Entschlossenheit. Dalgliesh spürte, daß er und Kate einer Musterung unterzogen wurden, die ebenso scharf wie unauffällig war. Mit einem leichten Neigen des Kopfes sagte die Oberin schließlich: »Ich werde Ihnen Schwester Agnes schicken. Es ist ein herrlicher Tag, vielleicht würden Sie gern zusammen einen Spaziergang durch den Rosengarten machen.«
    Dalgliesh erkannte wohl, daß das eine Weisung war und kein Vorschlag, aber er wußte auch, daß sie in dieser ersten flüchtigen Begegnung eine Art von privater Prüfung bestanden hatten. Er zweifelte nicht daran, daß die Oberin, wäre sie nicht zufrieden gewesen, das Gespräch hier im Zimmer hätte stattfinden lassen, und zwar unter ihrer Aufsicht. Sie zog an der Klingelschnur, und die lächelnde kleine Nonne, die sie eingelassen hatte, erschien.
    »Würden Sie Schwester Agnes ausrichten, sie möchte so gut sein und zu uns herunterkommen?«
    Wieder warteten sie schweigend und immer noch im Stehen. Nach weniger als zwei Minuten ging die Tür auf, und eine hochgewachsene Nonne trat ein. Die Mutter Oberin sagte: »Das ist Schwester Agnes. Schwester, dies sind Commander Dalgliesh von New Scotland Yard und Inspector Miskin. Ich habe vorgeschlagen, daß Sie sich vielleicht draußen im Rosengarten unterhalten.«
    Sie nickte freundlich und ging, ohne sich offiziell zu verabschieden.
    Der Unterschied zwischen der Mutter Oberin und der Nonne, die sie jetzt mit argwöhnischem Blick fixierte, hätte kaum größer sein können. Gewiß, das Habit war das gleiche, aber obwohl Schwester Agnes ein kleineres Kreuz trug, verlieh es ihr eine hieratische Würde, die sie unnahbar und ein bißchen geheimnisvoll erscheinen ließ. Die Mutter Oberin hatte ausgesehen, als wolle sie sich gleich an den Küchenherd begeben; sich Schwester Agnes anderswo als am Altar vorzustellen, fiel dagegen schwer. Sie war hager, hatte lange Glieder und ausgeprägte Gesichtszüge, und der Schleier betonte noch die hohen Wangenknochen, ihre starken Brauen und den breiten, unnachgiebigen Mund.
    »Also dann, wollen wir uns die Rosen ansehen, Commander?« sagte sie. Dalgliesh machte die Tür auf, und er und Kate folgten ihr mit fast unhörbaren Schritten aus dem Empfangszimmer und durch die Halle.
    Schwester Agnes führte sie

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