Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
einfach besser zu ’nem Mann. Diesen Gasofen auseinandernehmen und wieder zusammensetzen, das ist doch eher Männersache. Gehen wir halt einfach mal davon aus, daß wir’s mit einem Mann zu tun haben. Und kriegen werden wir ihn nicht, weil er genauso intelligent ist wie AD und weil er außerdem noch einen großen Vorteil hat: die Justiz ist auf seiner Seite, nicht auf unserer.« Die Leier kannte sie schon. Daniels beinahe paranoides Mißtrauen gegen Anwälte saß fast ebenso tief wie seine Abneigung gegen Leute, die seinen Vornamen auf Dan verkürzten. Kate hatte oft genug gehört, wie er sich darüber beklagte, daß die Justiz weniger daran interessiert sei, die Schuldigen zu bestrafen als daran, eine raffinierte und lukrative Hindernisstrecke auszutüfteln, auf der die Anwälte dann demonstrieren konnten, wie clever sie waren.
Sie sagte: »Das ist doch nichts Neues. Verbrecher werden in unserem System schon seit rund vierzig Jahren von der Justiz begünstigt. Das ist eine Tatsache, mit der wir leben müssen. Manche sind dumm genug und versuchen, dagegen anzugehen, indem sie die Beweislage aufbessern, wenn sie absolut sicher sind, daß ihr Mann der Täter ist. Aber damit bringt man nur die Polizei in Mißkredit, setzt, wenn’s rauskommt, Schuldige auf freien Fuß und fördert eine Rechtsprechung, die noch vehementer gegen Verurteilung und Schuldspruch eintritt. Das wissen Sie genausogut wie ich. Und dagegen hilft nur eins: saubere, stichhaltige Beweise sammeln, die vor Gericht bestehen können.«
»In einem wirklich gravierenden Fall kriegt man solche Beweise aber oft nur von V-Leuten und Undercover-Agenten. Als ob Sie das nicht wüßten, Kate. Und da wir unser Material heutzutage der Verteidigung im voraus präsentieren müssen, können wir diese Beweise nicht verwenden, ohne Menschenleben zu gefährden. Wissen Sie eigentlich, wie viele große Fälle wir im letzten halben Jahr allein bei der Met fallenlassen mußten?«
»Das wird uns hier aber nicht passieren. Wenn wir unsere Beweise beisammenhaben, dann gehen wir auch damit vor Gericht.«
»Aber das ist es ja gerade, wir kriegen doch die Beweise nicht. Nicht ohne daß einer von denen zusammenbricht, und das wird nicht passieren. Ansonsten haben wir bloß Indizien. Nicht eine einzige handfeste Sache, die wir überzeugend mit einem der Verdächtigen in Verbindung bringen könnten. Jeder von ihnen kommt als Täter in Frage. Wir könnten gegen jeden einzelnen einen Fall aufbauen, aber wozu? Es käme gar nicht mal bis zum Prozeß. Die Staatsanwaltschaft würde uns schon vorher abservieren. Und wenn wir doch eine Verhandlung auf die Beine brächten, können Sie sich wohl vorstellen, wie die Verteidigung uns in der Luft zerreißen würde, oder? Etienne ist schließlich möglicherweise aus eigenem Antrieb ins Archiv raufgegangen. Wir können das Gegenteil jedenfalls nicht beweisen. Vielleicht hat er ja was gesucht, wollte einen alten Vertrag überprüfen. Er nimmt an, das wird nicht lange dauern, und läßt darum Jackett und Schlüssel in seinem Büro. Dann stößt er oben aber auf etwas, das interessanter ist als erwartet, und macht sich daran, es in allen Einzelheiten zu studieren. Ihm wird kalt, also schließt er das Fenster, wobei die Zugschnur reißt, und stellt den Ofen an. Als er merkt, was passiert, ist er schon zu benommen, als daß es ihm noch gelänge, den Ofen wieder abzustellen. Und dann stirbt er. Ein paar Stunden später findet dieser Verlagskobold die Leiche und beschließt, aus einem unglücklichen Unfall ein makabres Rätselstück zu machen.«
»Das haben wir doch alles schon durchgespielt«, sagte Kate. »Und festgestellt, daß es nicht wirklich überzeugend ist. Warum brach er vor dem Ofen zusammen? Warum ist er nicht zur Tür? Etienne war intelligent; er muß gewußt haben, wie gefährlich eine Gasheizung in einem schlecht belüfteten Raum ist, warum sollte er da das Fenster schließen?«
»Na schön, dann sagen wir, er hat versucht, es aufzumachen, und dabei ist die Schnur gerissen.«
»Dauntsey sagt aber, das Oberlicht stand offen, als er den Raum zuletzt benutzt hat.«
»Dauntsey ist der Hauptverdächtige. Seine Aussage können wir vergessen.«
»Sein Verteidiger wird das aber nicht tun. Wir können keinen Fall aufbauen, indem wir unbequeme Beweise einfach ignorieren.«
»Gut, gut, er hat entweder versucht, das Fenster auf- oder zuzumachen. Lassen wir das doch mal so stehen.«
»Aber warum hätte er überhaupt den Ofen anmachen
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