Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
fragte Miss Claudia: »Und wo ist Mrs. Demery?«
»Vielleicht«, antwortete Miss Blackett, »vielleicht wußte sie nicht, daß sie auch gemeint war.«
»Aber ja, alle sind gemeint. Bitte gehen Sie doch und holen Sie sie, ja, Blackie?«
Miss Blackett eilte hinaus und kam nach wenigen Minuten, während derer die Runde schweigend wartete, mit Mrs. Demery zurück, die immer noch ihre Schürze umgebunden hatte. Sie öffnete schon den Mund, als wolle sie eine abschätzige Bemerkung machen, überlegte es sich aber offenbar gerade noch und setzte sich stumm auf den einzigen noch freien Stuhl in der Mitte der ersten Reihe.
Miss Claudia ergriff das Wort. »Als erstes möchte ich Ihnen allen für Ihre Loyalität danken. Der Tod meines Bruders und vor allem natürlich die tragischen Begleitumstände, sind für uns alle ein furchtbarer Schock gewesen. Peverell Press macht jetzt eine schwere Zeit durch, aber ich hoffe und vertraue darauf, daß wir sie gemeinsam durchstehen werden. Wir haben eine Verantwortung unseren Autoren und den Büchern gegenüber, denn schließlich erwartet man von uns, daß wir mit unseren Publikationen das hohe Niveau halten, das Peverell Press seit über zweihundert Jahren auszeichnet. Man hat mir inzwischen das Ergebnis der gerichtlichen Untersuchung mitgeteilt. Demnach starb mein Bruder an einer Kohlenmonoxydvergiftung, offenbar verursacht durch einen Defekt am Gasofen im kleinen Archiv. Genaueres kann die Polizei uns gegenwärtig noch nicht sagen. Ich weiß, daß Commander Dalgliesh oder einer seiner Beamten bereits mit jedem einzelnen von Ihnen gesprochen hat. Wahrscheinlich werden allerdings noch weitere Vernehmungen folgen, und ich bin sicher, daß Sie sich alle nach besten Kräften bemühen werden, der Polizei bei ihren Ermittlungen behilflich zu sein, und das gleiche gilt natürlich auch für uns, die Gesellschafter.
Noch ein Wort zur Zukunft unseres Hauses. Vermutlich sind Ihnen Gerüchte zu Ohren gekommen, wonach Innocent House verkauft und der Verlag in die Docklands umgesiedelt werden soll. Alle diesbezüglichen Pläne werden vorläufig erst einmal ruhen. Unser Betrieb wird weiterlaufen wie bisher, zumindest bis zum Ende des Geschäftsjahres nächsten April. Vieles wird vom Erfolg unseres Herbstprogramms abhängen und davon, wie gut wir im Weihnachtsgeschäft abschneiden. Aber unser Programm kann sich dieses Jahr wirklich sehen lassen, und wir sind alle optimistisch. Trotzdem muß ich Ihnen leider mitteilen, daß es bis zum Ende dieses Jahres keine Gehaltserhöhungen mehr geben wird. Die Gesellschafter haben sich übrigens einstimmig bereit erklärt, eine zehnprozentige Kürzung ihrer Bezüge zu akzeptieren. Auch Mitarbeiterwechsel wird es, zumindest bis nächsten April, keine geben, aber ein paar Umstrukturierungen sind natürlich unvermeidlich. Wenn ich gleich bei mir beginnen darf: Ich werde, zunächst einmal stellvertretend, den Posten der Geschäftsführerin und Vorsitzenden übernehmen. Das heißt, ich werde, wie bislang mein Bruder, für Produktion, Buchhaltung und Lager verantwortlich sein. Meine bisherigen Aufgabenbereiche, Verkauf und Werbung, gehen an Miss Peverell über, Mr. de Witt und Mr. Dauntsey werden sich, zusätzlich zu ihrer Lektoratstätigkeit, um Verträge und Rechte kümmern. Wir haben Virginia Scott-Headley von Herne & Illingworth gewinnen können, die Maggie in der Werbung unterstützen wird. Sie ist hochqualifiziert, verfügt über hinreichende Berufserfahrung und wird sich auch mit um die zu erwartende Flut von Presseanfragen zum Tode meines Bruders kümmern. Ja, ich denke, damit wäre alles gesagt. Nur möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß Peverell Press der älteste eigenständige Verlag des Landes ist und daß wir, die Gesellschafter, allesamt entschlossen sind, ihn am Leben zu erhalten und uns nach besten Kräften für seinen Erfolg einzusetzen. So, das war’s. Ich danke Ihnen für Ihr Erscheinen. Ach, noch Fragen?«
Es folgte betretenes Schweigen. Doch während mancher in der Runde vielleicht Mut für eine Wortmeldung sammelte, hatte Miss Claudia die Pause schon genutzt, war aufgestanden und rasch als erste hinausgegangen.
Als Mandy nachher in der Küche für Miss Blackett Kaffee machte, war Mrs. Demery schon wesentlich mitteilsamer.
»Die haben alle durch die Bank weg keinen blassen Schimmer, wie’s weitergehen soll. Das hat ja nun der Dümmste gemerkt. Mr. Gerard konnte ’n ausgemachtes Ekel sein, jawohl, aber er wußte wenigstens, wo’s
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