Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Commander Dalgliesh, und es wird nicht weitergeleitet, es sei denn, es wäre für unsere Ermittlungen von Wichtigkeit. Aber das können wir erst entscheiden, wenn Sie uns die Sache erklären.«
»Es war Mr. Bartrum – Sydney –, der wollte, daß wir’s geheimhalten, wenigstens zu Anfang. Er ist ein guter Ehemann, er liebt sie, und sie sind glücklich miteinander. Ihr erster Mann, das war ein brutaler Kerl. Sie versuchte trotzdem, die Ehe zu retten, aber ich denke, es war ein Segen, daß er schließlich auf und davon ist. Er hatte immer schon andere Frauen gehabt, und mit irgendeiner ist er dann abgehauen. Sie wurden geschieden, aber meine Tochter hat es sehr hart getroffen. Sie verlor jegliches Selbstvertrauen. Zum Glück waren wenigstens keine Kinder da.«
»Und wie hat sie Mr. Bartrum kennengelernt?«
»Eines Tages kam sie und holte mich von der Arbeit ab. Ich gehe gewöhnlich als letzter, deshalb hat sie außer Mr. Bartrum auch niemand gesehen. Sein Wagen sprang nicht an, und da haben wir ihm angeboten, ihn mitzunehmen, Julie und ich. Als wir ihn bei sich zu Hause absetzen wollten, lud er uns zum Kaffee ein. Wahrscheinlich dachte er, das sei er uns schuldig. Und da fing es an. Erst schrieben sie sich Briefe, dann fuhr er an den Wochenenden nach Basingstoke, wo sie wohnte und arbeitete, und hat sie da besucht.«
»Aber daß Sie eine Tochter haben, das war doch sicher bekannt in Innocent House?«
»Da bin ich mir nicht sicher. Sie wußten, daß ich Witwer bin, aber nach meiner Familie hat sich nie jemand erkundigt. Julie wohnte ja auch nicht bei mir. Sie arbeitete auf dem Finanzamt in Basingstoke und war nicht oft daheim. Doch, ich denke, es war schon bekannt, aber man hat mich nie nach ihr gefragt. Darum ließ es sich auch so leicht geheimhalten, als die beiden geheiratet haben.«
»Und warum sollte das niemand erfahren?«
»Mr. Bartrum – Sydney – hat gesagt, er wolle sein Privatleben für sich behalten, seine Heirat habe nichts mit Peverell Press zu tun, und er wolle nicht, daß die jungen Gänse im Verlag über seine Privatangelegenheiten klatschen. Er hat auch keine Kollegen zur Hochzeit eingeladen. Aber den Direktoren hat er schon erzählt, daß er geheiratet hat – na ja, das mußte er ja auch, schon weil er dadurch in eine andere Steuerklasse kam. Und als sie dann das Baby kriegten, da hat er auch davon erzählt und überall das Foto von der Kleinen rumgezeigt. Er ist sehr stolz auf sie. Ich glaube, zu Anfang wollte er nicht, daß sich rumspricht, er… na ja, er hätte die Tochter vom Pförtner geheiratet. Vielleicht hatte er Angst, dann vor den Angestellten das Gesicht zu verlieren. Er ist im Waisenhaus groß geworden, und vor vierzig Jahren waren solche Heime noch nicht das, was sie heute sind. In der Schule hat man auf ihn herabgesehen, ihn wie Dreck behandelt, und ich glaube, das hat er nie verwunden. Er hat sich immer ein bißchen zu sehr um seinen Status im Verlag gesorgt.«
»Und was sagt nun Ihre Tochter zu alledem? Ich meine diese ganze Geheimniskrämerei, und daß niemand wissen darf, daß Mr. Bartrum Ihr Schwiegersohn ist?«
»Ich glaube nicht, daß ihr das was ausmacht. Wahrscheinlich hat sie’s inzwischen schon wieder vergessen. Der Verlag gehört ja auch nicht direkt zu ihrem Leben. Seit ihrer Hochzeit war sie überhaupt erst einmal in Innocent House, eben zu der Verlobungsfeier von Mr. Gerard. Sie wollte gern einmal sehen, wie’s drinnen aussieht, und vor allem wollte sie Nummer 10 kennenlernen und das Büro, in dem ihr Mann arbeitet. Sie liebt ihn. Und jetzt haben sie auch noch das Baby und sind richtig glücklich. Er hat ihr Leben verändert. Und es ist auch nicht so, als ob ich die beiden außerhalb des Verlags nicht zu sehen bekäme. Nein, ich besuche sie fast jedes Wochenende. Und ich sehe Rosie – das Baby –, wann immer ich will.«
Verständnisheischend blickte Copeland von Daniel zu Kate. »Ich weiß, es klingt merkwürdig, und ich glaube, Sydney tut’s inzwischen auch leid. Ja, das hat er mehr oder weniger selbst so gesagt. Aber ich verstehe, wie’s dazu gekommen ist. Erst hat er uns spontan gebeten, es vorläufig geheimzuhalten, und je länger das dauerte, desto unmöglicher wurde es, plötzlich mit der Wahrheit herauszurücken. Und es hat ja auch niemand danach gefragt. Kein Mensch hat sich dafür interessiert, wen er heiratet. Und bei mir hat sich niemand nach meiner Tochter erkundigt. Die Leute interessieren sich nur für deine Familie, wenn du ihnen von
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