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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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Damengarderobe, wo sie sich in das lärmende Gewimmel der Mädchen einreihte, die hier unter einem Schild, das ausdrücklich jede Haftung ausschloß, ihre Mäntel aufhängten und die Schuhe wechselten oder vor einer der vier Toiletten Schlange standen und ihre Make-up-Utensilien auf das schmale Bord unter dem langen Spiegel packten. Erst als sich auch Mandy einen Platz erkämpft hatte und nach ihrem Toilettentäschchen aus Plastik suchte, in dem sie ihre Schminksachen verwahrte, machte sie eine Entdeckung, bei der ihr vor Schreck fast das Herz aussetzte. Ihr Geldbeutel war weg; die schwarze Lederbörse, halb Portemonnaie, halb Brieftasche, in der sich ihre Barschaft befand, ihre Scheckkarte sowie – hochgeschätztes Statussymbol – die einzige Kreditkarte, die sie besaß, und zu allem Überfluß auch noch der Yale-Schlüssel zu ihrer Haustür. Ihr lauter Schreckensruf lenkte Maureen, die sich gerade mit Hingabe einen Lidstrich verpaßte, von ihrem Spiegelbild ab.
    »Kipp erst mal alles raus. Mach’ ich auch immer«, riet sie und fuhr unbekümmert fort, ihre Lider mit schwarzem Eyeliner zu umranden.
    »Schöne Freundin bist du! Interessiert dich einen Dreck offenbar«, jammerte Mandy und schob Maureens Make-up-Kram auf die Seite, um den Inhalt ihrer Umhängetasche aufs Bord leeren zu können. Aber der Geldbeutel blieb verschwunden. Und dann erinnerte sie sich. Sie mußte ihn vorhin am Innocent House versehentlich mitsamt dem Schal und dem Taschentuch aus der Tasche gezogen haben. Wahrscheinlich lag er immer noch dort auf dem Pflaster. Da half nichts, sie mußte zurück. Ein Trost war immerhin, daß sie kaum befürchten mußte, ein Passant könnte ihre Börse gefunden haben. Nach Innocent Walk und vor allem Innocent Lane verirrte sich nach Einbruch der Dunkelheit kein Mensch mehr. Sie würde das Essen versäumen, aber mit etwas Glück nicht mehr als eine halbe Stunde vom Konzert.
    Und dann kam ihr der rettende Gedanke. Sie konnte doch Mr. Dauntsey oder Miss Peverell anrufen. Auf die Weise würde sie immerhin erfahren, ob sie die Geldbörse auch wirklich vor Innocent House verloren hatte. Die Chefs mochten vielleicht denken, es sei ganz schön frech von ihr, sie einfach privat anzurufen, aber Mandy war zuversichtlich, daß sie es ihr nicht ernsthaft übelnehmen würden. Sie hatte zwar erst sehr wenig für Mr. Dauntsey oder Miss Peverell gearbeitet, aber wenn es einmal der Fall gewesen war, schienen beide immer hochzufrieden zu sein und behandelten sie sehr zuvorkommend. Sie würden ja auch nur eine Minute zu suchen, ein paar Meter zu laufen haben. Und es regnete schließlich nicht mehr. Wirklich dumm war es nur wegen des Schlüssels. Wenn sich die Börse vor Innocent House fand, würde es zu spät werden, sie erst nach dem Konzert bei Miss Peverell oder Mr. Dauntsey abzuholen. Sie würde also mit Maureen heimgehen müssen, und sollte Maureen andere Pläne für die Nacht haben, mußte Mandy einen ihrer Mitbewohner, Shirl oder Pete, aufwecken. Aber beschweren konnten die sich auch kaum; wie oft hatten sie Mandy nicht schon geweckt, um sich von ihr aufsperren zu lassen.
    Es dauerte ein Weilchen, bis sie Maureen die nötigen Münzen für ein oder zwei Anrufe abgeluchst hatte, dann noch ein Weilchen, ehe eine der beiden Telefonzellen frei war, und dann war wieder eine Minute vertan, als sie entdeckte, daß das Telefonbuch, das sie brauchte, in der anderen Zelle lag. Sie rief zuerst bei Miss Peverell an, erreichte aber nur den Anrufbeantworter mit dem üblichen Text, gesprochen in Miss Peverells ruhiger, fast entschuldigender Stimme. Da es kaum Platz gab, das Telefonbuch abzulegen, knallte es prompt auf den Boden. Draußen machten ihr ein paar Männer ungeduldig Zeichen. Aber die würden eben warten müssen. Wenn Mr. Dauntsey zu Hause war, würde sie nicht auflegen, bevor er draußen nachgesehen hatte. Sie fand die Nummer und drückte die entsprechenden Tasten.
    Es nahm niemand ab. Mandy ließ es, auch als sie längst keine wirkliche Hoffnung mehr hatte, noch eine halbe Minute weiterklingeln, ehe sie endlich auflegte. Jetzt blieb ihr keine Wahl mehr. Sie konnte nicht den ganzen Abend und die Nacht um ihre Börse zittern. Sie mußte nach Innocent House zurück.
    Diesmal fuhr sie gegen den Verkehrsstrom, bekam aber kaum Einzelheiten mit, weil sie vor lauter Angst, Ungeduld und Ärger viel zu sehr abgelenkt war. Maureen wäre kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn sie sie in ihrem Fiesta nach Wapping gefahren hätte, aber

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