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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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mit den anderen Zwischenfällen in Innocent House?«
    »Wenn Gerard Etienne glaubt, daß es sich dabei um Gesetzwidrigkeiten handelt, und wenn er deswegen eine polizeiliche Untersuchung wünscht, dann muß er sich mit dem zuständigen Revier in Verbindung setzen.«
    »Wie jeder andere Bürger auch?«
    »Genau.«
    »Und Sie wären nicht bereit, mal nach Innocent House rauszufahren und sich, ganz inoffiziell, mit ihm zu unterhalten?«
    »Nein, Conrad. Nicht einmal, wenn ich dafür die Wyatt-Decke zu sehen kriegte.«

5
    An dem Nachmittag, an dem Sonia Clements eingeäschert wurde, fuhren Gabriel Dauntsey und Frances Peverell gemeinsam mit dem Taxi vom Krematorium zurück zum Innocent Walk Nummer 12. Frances, die während der Fahrt auffallend still war, saß etwas abgerückt von Dauntsey und blickte starr aus dem Fenster. Sie trug keinen Hut, und das hellbraune Haar, das ihren Kopf wie ein glänzender Helm umschloß, reichte, leicht nach außen gewellt, bis auf den Kragen ihres grauen Mantels. Ihre Schuhe, Strümpfe und Handtasche waren schwarz, ebenso der Chiffonschal, den sie am Hals geknotet trug. Genauso, erinnerte sich Dauntsey, war sie beim Begräbnis ihres Vaters angezogen gewesen. Diese moderne, unaufdringliche Trauerkleidung hielt den goldenen Mittelweg zwischen ostentativem Pomp und schicklicher Anteilnahme. Die grau-schwarze Kombination in ihrer tristen Sachlichkeit ließ sie blutjung erscheinen und betonte zudem das, was er am meisten an ihr schätzte, nämlich jene sanfte, altmodische Fröhlichkeit, die ihn an die Frauen seiner Jugend erinnerte. Distanziert und reglos saß sie in ihrer Ecke, nur die Hände waren unablässig in Bewegung. Er wußte, daß der Ring, den sie am Mittelfinger der rechten Hand trug und den sie nun unablässig unter dem schwarzen Wildlederhandschuh hin und her drehte, der Verlobungsring ihrer Mutter gewesen war. Einen Moment lang war er versucht, still nach ihrer Hand zu greifen, aber er unterdrückte den Impuls gerade noch rechtzeitig. Eine solch spontane Geste würde sie womöglich nur beide in Verlegenheit bringen. Außerdem konnte er ja wohl kaum die ganze Fahrt bis zum Innocent Walk ihre Hand halten.
    Sie mochten einander gern; er wußte, daß er in Innocent House der einzige war, dem sie sich hin und wieder anvertraute; doch sie gehörten beide nicht zu den Menschen, denen es leichtfällt, ihre Gefühle zu zeigen. Ihre Wohnungen lagen nur durch ein paar Treppenstufen voneinander entfernt, aber sie besuchten sich nie ohne vorherige Einladung, beide ängstlich darauf bedacht, den anderen nicht zu stören oder ihm lästig zu fallen, oder womöglich gar eine Vertraulichkeit zu erzeugen, die dem anderen unangenehm sein und die er bereuen könnte. Folglich sahen sie sich, obwohl sie einander mochten und gern zusammen waren, seltener, als wenn sie meilenweit voneinander entfernt gewohnt hätten. Bei ihren gelegentlichen Treffen unterhielten sie sich hauptsächlich über Bücher, Gedichte, über Theaterstücke, die sie gesehen hatten, oder Fernsehprogramme – aber nur selten über andere Menschen. Für Frances hätte sich Klatsch ganz allgemein nicht mit ihrer guten Erziehung vertragen, und Dauntsey war fest entschlossen, sich auf keine Kontroverse über die neue Geschäftsführung einzulassen. Er hatte seine Arbeit, und er hatte seine Wohnung in den beiden unteren Etagen am Innocent Walk Nummer 12. Beides mochte ihm nicht mehr lange gehören, aber mit sechsundsiebzig war er zu alt, um sich noch zu wehren. Er wußte auch, daß ihre Wohnung über der seinen einen Reiz für ihn hatte, dem es klüger war zu widerstehen. Wenn er sich – nach einem ihrer seltenen gemeinsamen Abendessen – bei geschlossenen Vorhängen, hinter denen man das sanfte Plätschern des Flusses nur ahnen konnte, in dem bequemen Sessel zurücklehnte und die Füße vor dem Kamin ausstreckte, indes er sie leise draußen in der Küche mit dem Kaffeegeschirr hantieren hörte, dann überkam ihn ein verführerisches Gefühl der Ruhe und des Friedens, das sich nur zu leicht zu einem festen Bestandteil seines Lebens hätte machen lassen.
    Ihr Wohnzimmer erstreckte sich über die ganze Länge des Hauses. Alles in diesem Zimmer gefiel ihm: die eleganten Proportionen des marmornen Kamins und das Ölgemälde darüber, auf dem ein Peverell des achtzehnten Jahrhunderts mit Frau und Kindern posierte, der kleine Queen-Anne-Schreibtisch, die Mahagoni-Bücherschränke zu beiden Seiten des Kamins mit den Ziergiebeln und den

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