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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. D. James
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schönen Elfenbeinbüsten einer verschleierten Braut; der Eßtisch und die sechs Stühle im Regency-Stil; die satten Farben der Teppiche, die sich leuchtend vom Goldbraun des gewachsten Fußbodens abhoben. Wie einfach wäre es doch, hier eine Vertraulichkeit herzustellen, die ihm die Tür zu diesem behaglichen, femininen Reich öffnen würde, das sich so sehr von seinen öden, spärlich möblierten Räumen unten im Haus unterschied. Manchmal, wenn sie anrief, um ihn zum Essen einzuladen, schützte er – nur aus Angst vor der Versuchung – eine andere Verabredung vor und ging in irgendein Pub, wo er dann stundenlang in einer lauten, verräucherten Gaststube hockte, ängstlich darauf bedacht, nur ja nicht zu früh heimzukommen, denn seine Haustür an der Innocent Lane befand sich genau unter ihren Küchenfenstern.
    Heute abend hatte er das Gefühl, daß ihr seine Gesellschaft willkommen wäre, sie ihn aber nicht darum bitten mochte. Er war nicht traurig deswegen. Die Trauerfeier war an sich schon deprimierend genug gewesen, auch ohne daß man sie hinterher noch in all ihren Banalitäten diskutieren mußte. Für heute hatte er genug vom Tod. Als das Taxi am Innocent Walk hielt, Frances fast hastig auf Wiedersehen sagte und dann, ohne sich auch nur einmal umzudrehen, ihre Tür aufschloß, war er direkt erleichtert gewesen. Aber zwei Stunden später, nachdem Suppe, Rührei und geräucherter Lachs verspeist waren, sein Leibgericht für den Abend, das er wie stets sorgfältig zubereitet hatte (auf niedriger Flamme köcheln, das Gemisch liebevoll von den Rändern der Pfanne zur Mitte hin häufeln und zur Krönung mit einem Löffel Sahne übergießen), danach also malte er sich aus, wie sie jetzt mutterseelenallein oben essen mußte, und bereute seinen Egoismus. An einem Abend wie diesem sollte sie nicht allein sein. Also rief er bei ihr an. »Ich wollte fragen, Frances, ob du nicht Lust hättest, mit mir eine Partie Schach zu spielen.«
    Der freudige Tonfall und das Ansteigen ihrer Stimme verrieten ihm, daß sein Vorschlag ihr mehr als willkommen war. »Aber ja, sehr gern, Gabriel. Bitte komm doch rauf.«
    Ihr Eßtisch war noch gedeckt, als ereintrat. Sie aß immer stilvoll, auch wenn sie allein war, aber er sah gleich, daß ihre Mahlzeit heute abend ebenso einfach gewesen war wie die seine. Käsebrett und Obstschale standen auf dem Tisch, und zuvor hatte sie offenbar nichts weiter als eine Suppe gegessen. Er sah auch, daß sie geweint hatte.
    Sie lächelte und gab sich Mühe, ihrer Stimme einen heiteren Hang zu verleihen, als sie jetzt sagte: »Ich bin so froh, daß du noch heraufgekommen bist. Das gibt mir den Vorwand, eine Flasche Wein aufzumachen. Komisch, wie ungern man allein trinkt. Wahrscheinlich liegt es daran, daß man von jung auf davor gewarnt wird, wie leicht heimliche Trinker zu Alkoholikern abrutschen.«
    Sie holte eine Flasche Château Margaux, und er erbot sich, sie zu öffnen. Beide schwiegen, bis sie es sich, jeder sein Glas in der Hand, vor dem Kamin bequem gemacht hatten. Dann sagte sie: »Er hätte dabeisein sollen. Gerard hätte wirklich dabeisein sollen.«
    »Er mag halt keine Trauerfeiern.«
    »Aber Gabriel, das geht uns doch allen so. Und es war ja auch wirklich schrecklich, nicht? Bei Daddy war’s schon schlimm genug, aber das heute war noch ärger. Dieser bedauernswerte Pfarrer, der sich ja alle Mühe gab, aber eben weder sie noch einen von uns kannte – wie der Ärmste um einen aufrichtigen Ton gerungen hat und zu einem Gott betete, an den sie nicht glaubte, und wie er vom ewigen Leben redete, wo sie doch nicht mal hier auf Erden eins hatte, das es wert war, gelebt zu werden.«
    »Das können wir nicht wissen«, wandte Dauntsey behutsam ein. »Es steht uns nicht zu, über Glück oder Unglück anderer Menschen zu richten.«
    »Nun, sie wollte Schluß machen, ist das nicht Beweis genug? Zu Daddys Begräbnis ist Gerard immerhin gekommen. Aber dazu war er ja auch mehr oder weniger verpflichtet, oder? Der Kronprinz, der dem alten König Lebewohl sagt. Hätte nicht gut ausgesehen, wenn er da weggeblieben wäre. Und schließlich waren ja auch wichtige Leute dabei, Schriftsteller, Verleger, die Presse, Leute, bei denen er Eindruck schinden wollte. Heute ist niemand Wichtiges gekommen, also konnte er sich die Mühe sparen. Aber er hätte dabeisein müssen. Schließlich hat er sie doch umgebracht.«
    Dauntsey versetzte in entschiedenerem Ton: »Frances, das darfst du nicht sagen. Es gibt nicht den

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